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Zum Zustand der OzonschichtAlle vier Jahre untersuchen hunderte Wissenschaftler unter der Ägide der UNO den Zustand der Ozonschicht. Gestern haben sie ihren jüngsten Bericht publiziert: Das Montrealer Protokoll über Ozon-abbauende Stoffe wirkt - das Ozonloch könnte sich in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts schliessen. Doch es drohen neue Gefahren durch bestimmte FCKW-Ersatzstoffe.Prof. Thomas Peter / Quelle: ETH-Zukunftsblog / Mittwoch, 17. September 2014 / 15:29 h
Das Montrealer Protokoll über Stoffe, welche die Ozonschicht abbauen, ist ein Meilenstein des internationalen Umweltrechts. Fast 200 Staaten haben sich diesem völkerrechtlich verbindlichen Abkommen angeschlossen. Seit 1988 wollen sie wissen, ob ihre Schutzmassnahmen greifen und wo sich neue Probleme abzeichnen. Deshalb überprüfen Wissenschaftler alle vier Jahre zu Händen der Vertragspartner, ob das Abkommen eingehalten wird. Zudem untersuchen sie den Zustand der Ozonschicht, prognostizieren deren weitere Entwicklung und diskutieren mögliche Massnahmen. Ihren aktuellen Bericht - genannt «Scientific Assessment of Ozone Depletion: 2014» - haben die Forscher gestern an einer Pressekonferenz der World Meteorological Organization (WMO) und des United Nations Environment Programme (UNEP) in New York vorgestellt.
Ozonschicht kann sich Mitte Jahrhundert erholen Um die fortschreitende Zerstörung der lebenswichtigen Ozonschicht in der Stratosphäre zu stoppen, galt das Hauptaugenmerk ursprünglich den sogenannten Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffen (FCKW), später auch bromhaltigen Substanzen und FCKW-Ersatzstoffen. In einem früheren Beitrag berichtete ich über den Erfolgskurs des Montrealer Protokolls, das die Ozonschicht effektiv schützt und - sozusagen «nebenbei» - die Klimagasemissionen um das fünf- bis sechsfache Reduktionsziel des Kyoto Protokolls gesenkt hat. Also ein Erfolg auf ganzer Linie? Weitgehend ja, aber mit einigen wesentlichen Einschränkungen. Der neue Bericht hält fest, dass die Massnahmen des Montrealer Protokolls die meisten ozonzerstörenden Substanzen wie erwartet langsam verringern, so dass die Ozon-Konzentration allmählich wieder den natürlichen Stand der Atmosphäre vor 1980 erreichen kann. Simulationen mit Chemie-Klima-Modellen prognostizieren, dass sich die Ozonschicht dank dem Protokoll weltweit erholen wird, vorausgesetzt, dass die Vorgaben des Protokolls auch in Zukunft strikt eingehalten werden. Diese Erholung wird für Mitte des Jahrhunderts vorhergesagt, mit Ausnahme des antarktischen Ozonlochs, das noch ein bis zwei Jahrzehnte länger brauchen wird, bevor es sich wieder schliesst. Unbekannte Quellen einer verbotenen Substanz Trotz dieser zweifellos bemerkenswerten Erfolgsgeschichte macht der Report auch auf eine Reihe von Problemen aufmerksam. Ich erwähne hier zwei. Zum Beispiel lässt sich zeigen, dass zwar die allermeisten atmosphärischen Konzentrationen der chlor- und bromhaltigen Substanzen so abfallen, wie aufgrund der Emissionsangaben der einzelnen Nationen erwartet wird. Aber es gibt Ausnahmen. So im Fall von Tetrachlorkohlenstoff (CCl4), einem stark ozonzerstörenden und klimaerwärmenden Gas. Früher wurde CCl4 in Feuerlöschern und zur Produktion anderer FCKW verwendet. Thomas Peter ist Professor für Atmosphärische Chemie an der ETH Zürich. /
Trotz der bemerkenswerten Erfolgsgeschichte wird auch auf eine Reihe von Problemen aufmerksam gemacht. /
Ozon-Konzentrationen über der Antarktis (5. September 2014): In den violetten und blauen Regionen hat es am wenigsten Ozon (Ozonloch), während die gelben und roten Bereiche die höchsten Konzentrationen aufweisen. /
Heizleistung von fluor- und chlorhaltigen Kohlenwasserstoffen (FCKW) bis 2050. Blaue Kurve: nur FCKW und chlorhaltige Ersatzstoffe (H-FCKW). Orange und Rot: Heizleistung inklusive der chlorfreien Fluorkohlenwasserstoffe (FKW). /
Nach den Vorgaben des Montrealer Protokolls sollte CCl4 seit Beginn der 1990er Jahre eigentlich keine Emissionsquellen mehr haben. Andererseits zeigen genaue Konzentrationsmessungen, bei denen auch die Messstation der Empa auf dem Jungraujoch beteiligt ist, dass CCl4 in der Atmosphäre viel langsamer abnimmt. Offenbar muss es noch unbekannte Quellen geben. Beispielsweise könnten schleichende Emissionen aus undichten Anlagen, die CCl4 legal zur Herstellung anderer Produkte einsetzen, zu dem beobachteten Phänomen beitragen. In juristischer Hinsicht stellt das einen Vertragsverstoss gegen das Montrealer Protokoll dar. Die Quellen für diese Emissionen zu identifizieren, ist eine wesentliche zukünftige Aufgabe, die wohl einiger Detektivarbeit bedarf. FCKW-Ersatzstoffe gefährden das Klima Eine weitere, zentrale Aussage des Berichts ist, dass eine Gruppe von Ersatzstoffen für ozonzerstörende Substanzen den Nutzen des Montrealer Protokolls für das Klima aufs Spiel setzen könnte. Hier geht es um Fluor-Kohlenwasserstoffe (FKW), deren Emissionen gemäss Prognosen zunehmen werden (siehe Graphik). FKW enthalten weder Chlor noch Brom, sind also nicht ozonzerstörend. Viele FKW sind aber massive Treibhausgase. Im Mittel ist ein FKW-Molekül über tausendmal klimawirksamer als ein Kohlendioxid-Molekül. Wie die Graphik zeigt, könnte bei hohem FKW-Verbrauch die Klimawirkung (Heizleistung) aller FCKW und Ersatzstoffe im Jahr 2050 bis auf das Doppelte des jetzigen Wertes ansteigen. Zum Vergleich: Die FCKW und Ersatzstoffe würden dann rund 20 Prozent der prognostizierten Klimawirkung von CO2 ausmachen. Ein hoher FKW-Verbrauch wird also den positiven Nebeneffekt des Montrealer Protokolls auf das Klima gefährden. Weil FKW Ozon nicht abbauen, fallen sie eigentlich nicht in den Verantwortungsbereich des Montrealer Abkommens, wohl aber in jenen des Kyoto-Protokolls. Andererseits verdanken die FKW ihre Existenz als Ersatzstoffe für FCKW letztlich dem Montrealer Protokoll. Sollten also die Parteien des Montrealer Protokolls auch diese Ersatzstoffe regulieren, obgleich sie unschädlich für Ozon sind? Mit der Aussage, dass «der Nutzen des Montrealer Protokolls für das Klima durch die Emission von FKW signifikant gefährdet werden könnte», macht der Bericht eine für die Umweltpolitik relevante Feststellung, ohne eine bestimmte Lösung vorzuschreiben. Den weiteren Weg bestimmen die politischen Entscheidungsträger. Es wird spannend sein, zu verfolgen, welche Richtung sie einschlagen.
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