von Patrik Etschmayer / Freitag, 16. Juni 2006
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Bill Gates, der Dschingis Khan der Software-Industrie, steigt aus dem Sattel. Die Meldung, dass er sich in 2 Jahren hauptsächlich auf seine Bill-Gates-Stiftung konzentrieren wolle, die mit einem Vermögen von 30 Milliarden Dollar vor allem in der Dritten Welt Gutes tut, verbreitete sich wie ein Lauffeuer,.
Wenn man in die Computer-Welt hinaus blickt, sieht man wirklich mit Erstaunen, dass es einer einzigen Firma gelungen ist, praktisch Weltdominanz zu erreichen. Auch wenn sich Apple (nicht zuletzt dank einer Cash-Spritze von Microsoft in den 90ern) und Linux in gewissen Nischen halten, ja sogar Positionen ausbauen können, so waren die letzten 20 Jahre doch die Jahre von Microsoft.
Dabei waren Gates und sein Firmenkoloss niemals visionär oder innovativ. An allem Schuld ist ohnehin IBM, die der kleinen Firma Microsoft den Auftrag gab, das Betriebssystem für die Computerreihe zu entwickeln, mit denen Privatleute und Kleinfirmen ausgestattet werden sollten. Die Geschichten um diese Pionierzeit sind legendär, doch eines ist sicher: Das erste Microsoft-Betriebssystem war ein zum grössten Teil ein zugekauftes Produkt, das von Gates lediglich noch etwas angepasst wurde.
Die Marktmacht von IBM zu jener Zeit bedeutete für Gates, dass er praktisch an einer Gelddruck-Maschine angeschlossen war. Dank dieser Geldflut wurde es ihm möglich, ein Software-Imperium aufzubauen. Und auch hier wieder wurde wenig selbst erfunden, sondern zugekauft, kopiert und weiterentwickelt.
Gates wurde auf diese Weise zum bösen Mann der Computerbranche. Vermutlich wurden und werden wenige Leute ausserhalb der Politik so sehr von so vielen gehasst, wie Bill Gates. Aber der Erfolg spricht für ihn und sein Geschäftsmodell. Zumindest bis jetzt.
Und eines darf man nicht vergessen: Ohne eine zentrale Hassfigur wie Bill Gates und sein 'Evil Empire', wie MS auch gerne genannt wird, würde es heute weder eine fanatische Mac-Gemeinde, noch eine blühende Freeware-Landschaft (diese Kolumne wird zum Beispiel mit OpenOffice geschrieben) geben.
Wenn es nun möglich ist, Browser, Office-Pakete, Grafik-Software, Dienstprogramme und sogar Betriebssysteme gratis und legal aus dem Internet herunterzuladen, dann ist das auch das unfreiwillige Verdienst von Microsoft. Wenn Mac-User ihre Maschinen notfalls mit ihrem Leben verteidigen würden und sie eine Marken-Loyalität zeigen, die nur als religiös bezeichnet werden kann, dann nicht zuletzt wegen des 'teuflischen' Bill Gates.
Sein Rücktritt wird eine schmerzliche Lücke in den binären Köpfen der Anti-Microsoft-Gemeinde hinterlassen. Wenn Gates geht, fehlt eine wichtige Projektionsfläche, denn dieser bebrillte, schmächtigte Kerl hat etwas, das seinem Stellvertreter Steve Ballmer abgeht. Ballmer ist bekannt für seine irren Auftritte, sein fanatisches Herumschreien, sein überbordendes Temperament. Sich über Ballmer lustig zu machen ist zu einfach. Gates war immer kühl, intellektuell und beherrscht. Trotz seines nerdigen Aussehens ging eine Aura der Gefahr von ihm aus.
Der Rückzug Gates ist vor allem für seine Gegner ein Schlag. Denn Microsoft muss sich ohnehin neu ausrichten. Software wird immer weniger in Schachteln verkauft und Online-Distributionen, die durch Werbung finanziert werden, werden immer attraktiver. So könnte es denn durchaus sein, dass Gates Rückzug auch das Ende einer Ära des Computerzeitalters bedeutet. Die kontinuierliche elektronische Revolution frisst ihre Kinder und Gates hat vielleicht erkannt, dass seine Generation die nächste auf dieser Speisekarte ist.