von Maurizio Minetti / Sonntag, 22. Juli 2007
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Er ist der bekannteste Blogger Italiens, aber eigentlich ist er ein Komiker, eher ein Satiriker, mehr ein Agitator – auf jeden Fall ein Feind der Mächtigen und Korrupten dieser Welt: Beppe Grillo, vor wenigen Tagen 59 geworden, ist seit Jahren der grösste Kritiker Italiens. Egal ob Berlusconi oder Prodi – er haut sie alle in die Pfanne. Anfang Juni lancierte er wieder einmal eine seiner Initiativen zur Verbesserung der politischen Verhältnisse im Stiefel. Am 8. September soll zeitgleich in allen grossen italienischen Städten ein Aktionstag durchgeführt werden. Der Name? Vaffanculo Day. Ziel ist es, ein Gesetz einzuführen, das es verurteilten Parlamentariern verbietet, erneut zu kandidieren.
Vaffanculo ist ja ein schwer zu übersetzendes Fluchwort. Oft wird die harmlose deutschsprachige Bezeichnung «Leck mich am Arsch» herbeigezogen. Das trifft nur bedingt zu. Was Grillo meint, ist eher so etwas wie «Haut ab ihr Ärsche!» Was das Ganze soll: Grillo will erreichen, dass die 25 italienischen Parlamentarier, die letztinstanzlich verurteilt und damit vorbestraft sind, nicht mehr zur Wahl antreten dürfen.
Dass überhaupt so viele Vorbestrafte unter den gut 900 Parlamentariern zu finden sind, verdeutlicht, wie heuchlerisch und kurzsichtig das politische System Italiens ist. Hierzulande käme es keiner einzigen Partei in den Sinn, einen Kandidaten aufzustellen, der wegen Steuerbetrug letztinstanzlich und unter anderem auch noch wegen Verbindungen zur Mafia in erster Instanz zu neun Jahren Haft verurteilt wurde, wie der Berlusconi-Vertraute und Forza-Italia-Senator Marcello Dell'Utri.
Dell'Utri ist nur einer von fünfundzwanzig. Grillo hat sie alle in einem Blog-Eintrag aufgelistet. Es sind vor allem Parlamentarier von Berlusconis Partei Forza Italia dabei, wie etwa Berlusconis rechte Hand Cesare Previti (Richterbestechung) oder Alfredo Vito (Korruption). Es sind aber auch einige wenige Linke dabei, wie der Kommunist Daniele Farina, der zu zwanzig Monaten Haft verurteilt wurde, weil man einen Molotowcocktail bei ihm fand.
Die dreckigen 25 sind aber bei weitem nicht die einzigen. Fast jeder zehnte Parlamentarier in Italien hatte oder hat ernsthafte Probleme mit der Justiz. Etwa zehn wurden infolge Verjährung freigesprochen. Ein weiteres halbes Dutzend wurde in erster Instanz verurteilt, gut zwanzig haben derzeit mindestens ein Verfahren am Hals. Dabei geht es meistens um Korruption und illegale Finanzierung, es sind aber auch noch gravierendere Straftaten dabei wie Beihilfe zu Mord, Brandstiftung oder Mafia-Delikte.
Grillo möchte am liebsten all jene, die mit dem Gesetz in Konflikt kommen, aus dem Parlament haben. Tatsächlich ist es absurd, dass solche, die gegen die Gesetze verstossen, zugleich jene sind, die Gesetze verabschieden. Der Vaffanculo Day fand Anklang. Bereits knapp 100'000 Leute kündigten an, am 8. September mit dabei sein zu wollen. Der V-Day war auch in den italienischen Medien von «La Repubblica» bis zum «Corriere della Sera» ein Thema. Selbst der italienische Rechnungshof, der die Staatsfinanzen überwacht, bezeichnete vor zehn Tagen Grillos Idee als «gewagt, aber machbar».
Ob es wirklich je ein Gesetz in Italien geben wird, das es Verurteilten verbietet, ins Parlament zu ziehen, ist derzeit noch offen. Doch die Tatsache, dass es ein Gesetz braucht, damit Verbrecher nicht für einen Sitz kandidieren, zeigt doch, wie dreist und gewissenlos einige italienische Politiker sind.