von Patrik Etschmayer / Freitag, 12. Februar 2010
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Es ist ein humanitärer Akt. Und es ist ziemlich mutig. Ein paar finden auch, es sei dumm, schädlich für unser Land. Und China findet, es handle sich um eine Hilfe für Terroristen, denen man den Prozess machen müsse und dass dies Folgen haben werde, für die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern.
Es geht dabei um Bahtiyar und Arkin Mahmud, zwei Insassen des Guantanamo-Gefangenenlagers. Die beiden Uiguren waren dort unter der Anschuldigung, gegnerische afghanische Kämpfer zu sein, eingesperrt. Der Haken an dieser Anschuldigung? Sie war völlig haltlos.
Die Mahmuds waren, wie viele andere Uiguren auch, einfach Flüchtlinge, die der Verfolgung der chinesischen Behörden auswichen, indem sie über die Grenze nach Afghanistan entkamen.
Im dortigen Grenzgebiet wurden sie nach den Terroranschlägen von 9/11 von Kopfgeldjägern gefangengenommen. Insgesamt 22 uigurische Männer wurden damals den Amerikanern übergeben, die für die angeblichen Terroristen 5000 US-Dollar Kopfprämie bezahlten.
Ein gutes Geschäft für die Kopfgeldjäger. Ein schlechtes für die Amerikaner, die ziemlich bald erkennen mussten, dass keiner der gefangenen Uiguren das war, wofür man sie ihnen verkauft hatte. Nicht nur waren sie keine «feindlichen Kämpfer», sie waren, wie schon die Bush-Regierung feststellen musste, nicht einmal Feinde.
Doch einfach freilassen und nach China schicken, ging nicht. Dort erwartete die Männer Gefängnis und Folter. Doch andere Länder schreckten vor der Aufnahme der Uiguren zurück. Jedes Angebot wurde sofort von China mit Drohungen torpediert, wirtschaftspolitisch gegen Aufnahmeländer vorzugehen.
Schliesslich brachten die USA sechs der Männer auf der pazifischen Inselnation Palau, vier auf den Bermudas und fünf in Albanien unter.
Auch die beiden Brüder hätten nach Palau gehen können. Allerdings leidet der eine an einer psychischen Erkrankung, die auf dieser abgelegenen und dünn besiedelten pazifischen Inselgruppe nicht richtig behandelt werden konnte.
Nun also der Jura, sozusagen das Palau der Schweiz. Etwas abgelegen, dünn besiedelt aber sicherlich geeignet, um zwei Menschen, die schon mehrmals aus ihrem Leben gerissen wurden, endlich eine sichere, neue Heimat zu bieten.
Doch die chinesischen Drohungen haben auch in der Schweiz Wirkung gezeigt. Aus Wirtschaftskreisen wird der Regierung vorgeworfen, die ökonomischen Beziehungen mit dem Reich der Mitte für die zwei Guantanamo-Häftlinge zu riskieren.
Sicher: China steht in einer offenbaren Position der Stärke da. Doch die verschiedenen Urteile gegen Bürgerrechtler und Journalisten - auch wieder in dieser Woche - demonstrieren ganz klar, dass die Brüder sehr wohl für Dinge angeklagt und verurteilt hätten werden können, derer sie gar nicht schuldig sind.
Der Mut – oder, in den Augen mancher, der Leichtsinn – der Schweizer Regierung ist ohne Zweifel ein Zeichen humanitärer Grösse und auch konsequent, forderte doch die Schweiz schon lange die Auflösung Guantanamos.
Doch es ist auch eine Chance, die Beziehungen mit den USA wieder zu verbessern. Denn die Entscheidung der Schweiz, die Uiguren aufzunehmen, hat der US-Regierung einen potenziell peinlichen Gang vor den obersten Gerichtshof erspart, bei dem es um die Anträge dieser Häftlinge ging, aus der ungerechtfertigten Haft entlassen zu werden.
Als das Mindeste sollte die Schweiz nun diplomatischen Beistand der USA erwarten können, wenn China seinen Drohungen wirklich Taten folgen lassen will. Im besten Fall sollten sich die diplomatischen Beziehungen zu den USA grundlegend verbessern und die Fixierung auf das Bankenproblem ein Ding der Vergangenheit werden.
Die Kugel im uigurischen Roulette wird noch einige Zeit rollen und wir werden erst in den kommenden Monaten sehen, wie sie fallen wird und ob es sich lohnte, das moralisch Richtige zu tun.