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Lokales Küstenmanagement in Madagaskar

In Madagaskars Südwesten wächst der Druck auf die natürlichen Ressourcen des Meeres. Wissenschaftler, NGOs und die Bevölkerung versuchen gemeinsam nachhaltige Nutzungsmethoden der Küstengewässer zu etablieren.

Melanie Weisser / Quelle: ETH-Zukunftsblog / Freitag, 27. Februar 2015 / 15:12 h

Madagaskars Artenvielfalt ist einzigartig. 10'000 der weltweiten Pflanzen- und knapp 800 der Wirbeltierspezies existieren nur auf dieser Insel im Indischen Ozean. Doch auch die Gewässer um die Insel sind bemerkenswert: Im Südwesten erstreckt sich auf über 300 Kilometer das drittgrösste Korallenriff der Erde, das Toliara Reef, das den lange als ausgestorben geltenden Quastenflosser beheimatet und Buckelwalen als Aufzuchtsgebiet für ihre Jungen dient.

Madagaskars Südwesten

Der an diese Meeresregion grenzende trockene Südwesten ist die ärmste Region des Landes. Hier existiert fast keine Industrie, sodass die Menschen von Fischfang, Landwirtschaft und der Zucht von Zeburindern leben. Fast 90 Prozent der stark wachsenden Bevölkerung sind in den Fischereisektor involviert oder bestreiten ihren Lebensunterhalt ausschliesslich durch Fischen. Dadurch erhöht sich stetig der Druck auf das durch Korallenbleiche und Überfischung gefährdete Riff. Etwa zwei Drittel des Fischfangs rund um Madagaskar gingen in den vergangenen Jahren bereits auf Kleinfischer zurück.

Ziel einiger NGOs, wie dem WWF oder der Organisation «Blue Ventures», ist es deshalb, gemeinsam mit der Lokalbevölkerung Fischereipraktiken zu etablieren, welche die Menschen nicht von ihrer Lebensgrundlage abschneiden und gleichzeitig ein Weiterbestehen der marinen Ökosysteme gewährleisten. Wie kann die Bevölkerung das Meer nachhaltig nutzen?

Nachhaltiges Fischen in Beheloke

Beheloke ist ein kleines Fischerdorf an einer flachen Bucht im Südwesten Madagaskars. Das Dorf hat mithilfe des WWFs eine lokale Fischereigewerkschaft, die «Dina», gegründet und begonnen, das Bewusstsein in der Bevölkerung für die ökologischen Probleme am Riff zu schärfen. Mit einfachen, jedoch effektiven Regeln haben sie seither den Fischfang nachhaltiger gestaltet. Da der ungewollte Beifang von Jungfischen in engmaschigen Fischernetzen die Erholung der Bestände stark beeinträchtigte, einigte man sich zum Beispiel darauf, von Moskitonetzen auf Netze mit 10 Zentimeter grossen Maschen umzusteigen. Drastischere Massnahmen stellen aus Sicht der Fischer die eingeführten Schonzeiten dar. Von Oktober bis Dezember dürfen zum Beispiel keine Langusten und von Dezember bis Januar keine Tintenfische gefischt werden, da die Tiere sich in diesem Zeitraum vermehren. Dadurch erholt sich der Bestand in der Nachfolgesaison deutlich. Manche dieser Richtlinien bestanden zwar zuvor, wurden aber nur schleppend umgesetzt.



Melanie Weisser ist Doktorandin in der molekularen Strukturbiologie an der ETH Zürich /



Lokales Küstenmanagement im Südwesten Madagaskars setzt auf Algenkulturen für die Lebensmittel- und Kosmetikindustrie. /



Die Einwohner Behelokes leben hauptsächlich vom Fischfang. /

Die Menschen befürchteten, die Einkommenseinbussen in der Schonzeit nicht durch Ausweichen auf andere Arten kompensieren zu können. Dass die Regelung heute in der Bevölkerung breite Akzeptanz findet, ist alternativen Einkommensmöglichkeiten zu verdanken, die zum Ausgleich geschaffen wurden.

Algen-Aquakultur

Seit 2013 kann jeder Einwohner Behelokes in der Bucht vor dem Dorf eine Algen-Aquakultur betreiben. Die Rotalge Kappaphycus alvarezii, die in Asien heimisch ist, gedeiht in der warmen, lichten Meeresregionen mit ihren starken Gezeiten optimal und vermehrt sich fast ausschliesslich vegetativ. Wegen der in ihnen gebildeten langkettigen Kohlenhydratea, die sich hervorragend als Gelier- und Dickungsmittel in der Lebensmittel- und Kosmetikindustrie eignen, werden die Algen in Asien schon lange kultiviert.

Algensetzlinge, die man an Schnüren angebunden im Wasser schwebend zieht, vermehren sich rasant: Sie verdoppeln ihre Biomasse innerhalb von nur 15 Tagen. So kommen die Bewohner Behelokes auf durchschnittlich neun Algenernten à 200 Kilogramm Nassgewicht im Jahr. Die getrockneten Algen verkaufen die Dorfbewohner an einen Zwischenhändler, für 500 Ariary pro Kilo, also knapp 20 Rappen. Das ist nicht viel, kann aber ein durchschnittliches Einkommen aus der Fischerei fast verdoppeln. Vor allem für Frauen hat sich die Aquakultur als gutes eigenständiges Zusatzeinkommen entpuppt, da sie die relativ leichte und wenig zeitaufwändige Arbeit gut mit ihrem Alltag vereinbaren können.

Trotzdem stellt sich die Frage, ob sich ohne zwischengeschaltete Händler, durch Kooperativen mit anderen Dörfern oder die Einführung von «Fairtrade»-Standards nicht bessere Preise für Behelokes Algen erzielen liessen. Hierfür ist das abgeschiedene Dorf jedoch weiterhin auf äussere Hilfe angewiesen. Auch ob die eingeführte Algenart langfristig Auswirkungen auf das lokale Ökosystem hat, ist unklar: K. alvarezii kann Teppiche in oberen Wasserschichten bilden, welche darunter liegenden Korallen das Licht wegnehmen. Seit Beginn des Projekts wurde anscheinend keine Ausbreitung der Rotalgen am Riff bemerkt. In der sandigen Anbaubucht stehen sie nicht in Konkurrenz mit anderen Arten, bieten ersten Beobachtungen zufolge sogar manchen Fischarten Schutz. Trotzdem gilt es, die Verbreitung konstant zu beobachten und gegebenenfalls aktiv einzuschränken.

Politischer Meilenstein

Auf dem IUCN (International Union for Conservation of Nature) World Parks Congress in Sydney erklärte Madagaskars Präsident Rajaonarimampianina im Dezember, dass sein Land die Absicht habe, die aktuelle Fläche seiner marinen Schutzzonen zu verdreifachen. Er würdigte den Beitrag lokaler Projekteb wie in Beheloke zu einem nachhaltigeren Umgang mit Madagaskars Meeresressourcen und versprach, sie in Zukunft politisch stärker anzuerkennen. Momentan werden sieben Prozent von Madagaskars Küstengewässern lokal verwaltet. Dank des politischen Rückenwinds könnte dieser Flächenanteil bald weiter ansteigen.

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