Das Marathon-Comeback nach den zwei im März 2009 erlittenen Lungenembolien und einer Fussoperation war mit dem Gewinn des Europameistertitels am 1. August 2010 im heissen Barcelona grandios. Allerdings stand dort selbstredend nicht die Zeit (2:15:31) im Vordergrund. Gut drei Monate später musste er beim Marathon in New York aufgeben. Es war für Röthlin ein Versuch, der gescheitert sei. Er habe gesehen, dass er in so kurzer Zeit keinen Formaufbau hinbringe, sagte der 36-jährige Obwaldner.
Deshalb ist der morgige Auftritt in London für ihn umso wichtiger, denn sein Ziel ist klar: Eine gute Zeit. Konkret heisst das, er will schneller als 2:09:56 Stunden laufen, dies ist seine drittbeste Marke über 42,195 km. Sein Rekord, aufgestellt im Februar 2008 in Tokio, steht bei 2:07:23. «Nach allem, was war, wäre es eine tolle Leistung, nochmals eine Top-3-Zeit zu laufen», erklärte Röthlin. Die Klassierung ist für ihn sekundär. «Ich werde lieber Sechster mit 2:07:22 als Dritter mit 2:10:15», so der Läufer des STV Alpnach.
Zuversicht dank Tests
Die Form stimmt, was der zur Gewohnheit gewordene letzte Test - 20 Minuten bei 20 km/h auf dem Laufband - am Dienstag bestätigte. Röthlin: «Ich habe Werte wie vor den gesundheitlichen Problemen.» So prognostiziert ein Computerprogramm für morgen eine Zeit von 2:08:05. «Es ist wieder einmal nach Plan A gelaufen», sagte der WM-Dritte von 2007. «Ich konnte alles so durchziehen, wie ich wollte.» Vor Barcelona sei es bis zur Startlinie ein Geknorze gewesen.
Ist bereit. /
Den Grossteil der Vorbereitung hatte er in der Gruppe von James Kwambai in seiner zweiten Heimat Kenia absolviert. Es sei speziell gewesen, dorthin zurückzukehren, sagte Röthlin. «Aber es war wichtig, um das Ganze abzuschliessen.» 2009 hatte er wegen der ersten Lungenembolie frühzeitig aus Kenia abreisen müssen.
Zuversicht gibt Röthlin auch der Halbmarathon in Mailand Ende März, den er in 62:45 Minuten, seiner zweitbesten Zeit über diese Distanz, bewältigte. Zudem gilt London als schneller Marathon - der Streckenrekord liegt bei 2:05:10. Speziell ist, dass die erste Streckenhälfte «deutlich schneller» sei. Deshalb will er sich auf dieser ein «kleines Polster» erarbeiten, «um nachher etwas Luft zu haben.» Sein Plan ist, mit der zweiten Gruppe anzulaufen, welche die 21,1-km-Marke in 63:30 Minuten passieren will. Zum Vergleich: Bei seiner Bestleistung in Tokio legte er die erste Hälfte in 63:39 zurück. Die Spitzengruppe ist für ihn keine Option, da diese Kurs auf den Weltrekord nimmt. «Das wäre Selbstmord», sagte Röthlin.
Grosse Ziele
London soll dem Olympia-Sechsten von 2008 in Peking auch Aufschluss darüber geben, wie es weitergeht, wohin ihn sein Weg führt. Denn je nachdem, wie es in der englischen Hauptstadt läuft, wird für ihn im Herbst der Europarekord ein Thema - diesen halten mit 2:06:36 gemeinsam der Portugiese Antonio Pinto und der Franzose Benoit Zwierzchiewski. Jene Zeit zu unterbieten, war für Röthlin vor den Rückschlägen 2009 das Ziel gewesen, rückte danach jedoch in «weite Ferne».
Die Dichte an starken Läufern in London ist gross: Sieben, die gemeldet sind, weisen eine Bestzeit von unter 2:05:30 auf. Und wie könnte es auch anders sein, kommen diese - mit Ausnahme des Marokkaners Jaouad Gharib - allesamt aus Kenia oder Äthiopien. Deren Überlegenheit begründet Röthlin mit der Akzeptanz. «In Kenia will jeder laufen. Mir passiert es immer noch, dass jemand die Scheibe runterlässt und sagt: geh arbeiten.»
