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Zeitraffer über die letzten 13 Jahre von Viktor Röthlin

Viktor Röthlin startet am Sonntag in London zu seinem 24. Marathon. Der Zeitraffer über die 13 Jahre im Zeichen der 42,195 km offenbart zahlreiche Hochs und nur wenige Tiefs.

knob / Quelle: Si / Donnerstag, 9. August 2012 / 19:11 h

Der Europameister entzückte mit einem kompletten Medaillensatz an Titelkämpfen, einem Olympia-Diplom und vier Schweizer Rekorden. Es sind grosse Erfolge, die ihren Ursprung in einem Tiefschlag haben. Die Karriere des inzwischen 37-jährigen Obwaldners wurde 1998 an der EM in Budapest im Final über 10'000 m lanciert. Nach der Schmach der Überrundung lief Röthlin als Letzter im Ziel ein. Das Zeichen war brutal, aber deutlich. Also wechselte Röthlin - auch auf Druck des Verbandes - auf die Marathonstrecke. Er debütierte im April 1999 in Hamburg in 2:13:36 Stunden. Bis Kilometer 37 wartete er auf den viel zitierten Hammermann. Dieser kam, und zwar brutal. «Es war sehr hart. Gleichwohl wusste ich im Ziel, dass meine Zukunft Marathon heisst», sagt Röthlin.

Röthlin fuhr reichlich Ernte ein

Ab Lauf Nummer 13 reihten sich die Erfolge nahtlos aneinander. Der 7. Rang in New York 2005, EM-Silber in Göteborg 2006, die Steigerung des Schweizer Rekords über 2:08:20 auf 2:07:23 Stunden (Tokio 2008), WM-Bronze in Osaka 2007, der 6. Rang an den Olympischen Spielen in Peking 2008 und der EM-Titel am 1. August 2010 in Barcelona fallen in diese Phase. Röthlin fuhr reichlich Ernte ein für die harte Arbeit, die ihm auf der Uhr eine auf den ersten Blick bescheidene Verbesserung von 6:13 Minuten im Vergleich zum Debüt brachte. Die grösste Strahlkraft geht vom Gold an den Europameisterschaften 2010 aus. Der Erfolg in diesem Sommer in Barcelona kam nach den zwei Lungenembolien und einer Fersenoperation aus heiterem Himmel. Die sportlich wertvollste Leistung bot der Autodidakt im Glutofen von Peking, wo er in den Augen der Öffentlichkeit mit leeren Händen dastand. Röthlin befand sich in der Form seines Lebens, lief bei grosser Hitze 2:10:35 und war nur rund 200 m (35 Sekunden) von Bronze entfernt. Doch die tempofesten Afrikaner hatten eine derart horrende Pace angeschlagen, dass sich dem Schweizer nie die Chance eröffnete, in den Kampf um die Medaillen einzugreifen. Vier Jahre früher in Athen hätte ihm die in Peking gezeigte Leistung im Minimum einen Podestplatz eingetragen. Ein Ausscheiden in einem Marathon ist schwer zu verkraften. Nach ein paar 1000 Trainingskilometern und zahlreichen Entbehrungen wird man um den Lohn seiner Arbeit geprellt. Ausgerechnet an der Geburtsstätte seiner Disziplin, in Athen im Olympia-Marathon, kam der Obwaldner wegen Leistenbeschwerden nicht ins Ziel. Auch sein zweiter Lauf 1999 in Berlin endete im Fiasko. Der Hammermann kam damals bereits nach 18 km, Röthlin war mit dieser Situation überfordert. Als Europameister stieg er in New York 2010 zum dritten Mal aus. Die Enttäuschung hielt sich in Grenzen. Röthlin war sich des Risikos bewusst. Nach der EM hatte er nicht genügend Zeit, den Lauf seriös vorzubereiten. Viermal lief der Perfektionist als Sieger ein. Zuletzt war er in Barcelona vor einem Millionenpublikum vor den Bildschirmen als Erster im Ziel. Das Zielband durchriss er auch 2008 in Tokio sowie 2007 und 2004 in Zürich.

Röthlins Marathonläufe im Zeitraffer

Nummer 1 Hamburg, April 1999 (2:13:36)


Nun war klar: die sportliche Zukunft heisst Marathon. - 2 Berlin, Herbst 1999 (Aufgabe). Mit der Krise in der ersten Rennhälfte kam der Schweizer nicht zurecht. - 3 Rotterdam, Frühling 2000 (2:12:53). Röthlin unterbot die Olympia-Limite für Sydney um sieben Sekunden, obwohl er bei km 40 noch deren zehn Rückstand auf die Marschtabelle hatte. - 4 Sydney, Olympia-Marathon 2000 (2:20:06). Ein Bubentraum ging in Erfüllung. - 5 Rotterdam, Frühling 2001 (2:12:22). Wieder unterbot Röthlin die Limite für einen Grossanlass, diesmal um acht Sekunden. Allerdings gab er dem Angriff auf den Schweizer Rekord gegenüber der WM-Teilnahme in Edmonton den Vorzug.

6 Berlin, Herbst 2001 (2:10:54/Schweizer Rekord)


Zuvor waren die 2:11:10 die grosse Schweizer Marathonzeit. Röthlin lief als Achter durchs Ziel, jubelte aber wie der Sieger. -7 München, EM-Marathon 2002 (2:16:16). Zweimal gestürzt, viel Frust. - 8 Zürich, Frühling 2003 (2:11:04). Rang 2 nach starkem Schlussabschnitt. - 9 Paris, WM-Marathon 2003 (2:11:14).



Die grösste Strahlkraft geht vom Gold an den Europameisterschaften 2010 aus. /

Der 14. Rang war ein gutes Resultat. - 10 Zürich, Frühling 2004 (2:09:55/Schweizer Rekord/1. Rang). Endlich blieb er unter 2:10 Stunden, was damals noch als Eintrittskarte zur Weltklasse galt.

11 Athen, Olympiamarathon 2004 (Aufgabe)


Trotz Problemen in der Vorbereitung ging Röthlin an den Start. Den Vorwurf, es nicht zu versucht zu haben, musste er sich nicht gefallen lassen. Doch sein Gesundheitszustand verschlimmerte sich. Heute würde Röthlin unter diesen Voraussetzungen nicht mehr starten. - 12 Zürich, Frühling 2005 (2:10:59). Wegen des Olympia-Marathons konnte Röthlin bis im Dezember 2004 nicht voll trainieren. - 13 New York, November 2005 (2:11:44/7. Rang). Der Schweizer setzte international die erste grosse Marke. - 14 Göteborg, EM-Marathon 2006 (2:11:50/Silber). 18 Sekunden trennten ihn von Stefano Baldini. «Ich war der beste Nicht-Olympiasieger», witzelte Röthlin. - 15 Zürich, Frühling 2007 (2:08:20/Schweizer Rekord/1. Rang). Der Obwaldner setzte seine Ansage, Rekord zu laufen, eindrücklich um.

16 Osaka 2007, WM-Marathon (2:17:25/Bronze)


Der Schweizer lief in der schwülen Hitze um «sein Leben». Bei km 40 war er noch Sechster, danach profitierte er von seinem Spezialtraining. Nach 35-km-Läufen im normalen Tempo hatte er sich jeweils mit fünf schnellen 1000-m-Einheiten gequält. - 17 Tokio, Februar 2008 (2:07:23/Schweizer Rekord/1.). Mit der Verbesserung des Schweizer Rekords um fast eine Minute hievte sich der Schweizer in den erweiterten Favoritenkreis für Peking. - 18 Peking, Olympia-Marathon 2008 (2:10:35/6. Rang/Diplom). Röthlin stand leistungsmässig im Zenit. - 19 Barcelona, EM-Marathon 2010 (2:15:31/Gold). Die Sportöffentlichkeit rieb sich die Augen. Nach zwei Lungenembolien und einer Fersenoperation sowie einer Vorbereitung mit einigen Rückschlägen kam das vierte EM-Gold in der Geschichte der Schweizer Leichtathletik völlig überraschend. Perfektionist Röthlin hatte im Gegensatz zur Konkurrenz die Hitze nicht unterschätzt und zahlreiche Massnahmen ergriffen, um die Körperkerntemperatur möglichst lange tief zu halten. - 20 New York, November 2010 (Aufgabe). Wunder durften nicht erwartet werden. Die Vorbereitungszeit war zu kurz.

21 London, April 2011 (2:12:44)


Die Zeit war enttäuschend. Wohl auch, weil ihn eine amateurhaft durchgeführte Blutentnahme am Vorabend ärgerte. - 22 New York, November 2011 (2:12:26). Ein Schritt vorwärts. Erstmals seit dem EM-Gold gelang ihm eine solide Leistung. - 23 Tokio, Februar 2012 (2:08:32). Röthlin erbrachte den Beweis, dass er noch schnell laufen kann. Seit dieser Leistung ist er wieder im Hoch, die Leichtigkeit ist zurückgekehrt. - 24 London, Olympiamarathon 2012. Die afrikanische Konkurrenz schient übermächtig. Selbst wenn Röthlin erneut als bester Hellhäutiger einlaufen sollte, ist ihm ein Top-Ten-Platz nicht garantiert. Ist nach London Schluss? «Ich weiss es selber nicht», beteuert Röthlin. Fände die EM 2014 nicht in Zürich statt, würde er aufhören. «Doch vor dem Schweizer Publikum mit dem Schweizer Kreuz auf der Brust zu laufen, lässt keinen Sportler kalt», sagt er. Den Entscheid fällt er nach seinen vierten Olympischen Spielen. Er will ihn im Herbst publik machen.

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