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Alte Könige entthront - Neuer König bejubelt

Die Schweiz erhielt am Eidgenössischen in Frauenfeld einen neuen Schwingerkönig. Kilian Wenger (20) aus Horboden im Diemtigtal dominierte und gewann alle acht Gänge. Schon vor dem Schlussgang mit Martin Grab stand er als Festsieger fest.

von Rolf Bichsel, Frauenfeld / Quelle: Si / Montag, 23. August 2010 / 08:51 h

Dennoch begnügte sich Kilian Wenger im Schlussgang nicht mit einem Unentschieden. Er suchte die Offensive. Ein prächtiger Kurzzug nach zwölf Minuten brachte fast die Entscheidung. Eine Minute und einen Hüfter später war es auch um Martin Grab geschehen. Der routinierte Innerschweizer vermochte der Dynamik Wengers nichts mehr entgegenzuhalten. Und Wenger wurde von seinen Freunden und Berner Teamkollegen umgehend wie ein König gefeiert. Alles sei «wunderschön, einmalig, wahnsinnig», beschrieb der neue König seine Glücksgefühle. Er habe sicher noch nicht realisiert, was passiert sei, «aber das kommt schon noch».

«Alles stimmte»

Wengers Totalerfolg erfolgte gewiss nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Der junge Berner Oberländer gehörte nach Festsiegen im Oberland, Oberaargau und Wallis zum erweiterten Kreis der Königsanwärter. Dass Wenger das Fest aber von A bis Z dominieren und nicht in einem Gang in eine kritische Situation geraten würde, war so gewiss nicht erwartet worden. Am Nordostschweizerischen in Näfels hatten sich nicht weniger als 30 Schwinger vor ihm klassiert. Auf dem Brünig hatte er nur die Hälfte seiner Gänge gewonnen. Warum klappte in Frauenfeld alles nach Wunsch? Wenger: «Es stimmte alles für mich: das Umfeld, das Wettkampfglück, die Einteilung, das Wetter.»

Im Moment des Erfolgs vergass Wenger auch seine Berner Kameraden nicht. Christian Stucki, der das Fest im 3. Rang beendete, erwies sich als Wengers bester, wertvollster Helfer. Stucki band mit Gestellten gegen Jörg Abderhalden (1. Gang) und Martin Grab (7. Gang) Wengers härteste Konkurrenten zurück.

König schon vor dem Schlussgang

Das führte zur grotesken Situation, dass Wenger schon vor dem Schlussgang als Festsieger (und praktisch auch als Schwingerkönig) feststand, denn der Schwingerverband hätte Wenger den Titel wohl auch nach einer Schlussgang-Niederlage zugesprochen. Schon am Oberländischen in Brienz hatte Wenger derart dominiert, dass er sich im Schlussgang eine Niederlage hätte erlauben können.

Die (komplizierten) Schwinger-Regeln hätten für diesen seltenen Fall nach sieben Gängen ein Ausschwingen ermöglicht, das zumindest künstliche Spannung erzeugt hätte.



Kilian Wenger gegen Jörg Abderhalden im 5. Gang. /

Das Kampfgericht verzichtete darauf -- so wie 1969 in Biel, als Ruedi Hunsperger ebenfalls schon nach sieben Gängen als Festsieger feststand. Geändert hätte sich vermutlich eh nichts: Wenger schwang in Frauenfeld eine Klasse besser als die Konkurrenz. Und wie Hunsperger 1969 und zuletzt Ernst Schläpfer vor 30 Jahren in St. Gallen gewann auch Wenger alle acht Gänge.

Abderhalden musste Krone abgeben

Der alte König, Jörg Abderhalden, wurde am Sonntagmorgen entthront. Unter rhythmischem Klatschen der begeisterten Fans murkste Wenger nach einem Hüfter Abderhalden im Bodenkampf auf den Rücken. Es deprimierte den Toggenburger, dass er am Heimfest mehrmals ausgepfiffen wurde und die Sympathien in Frauenfeld offensichtlich dem jungen Berner und nicht dem grössten Schwinger aller Zeiten aus Nesslau gehörten. Mit drei Siegen zum Abschluss schwang sich Abderhalden dann den Frust von der Seele. Abderhalden: «Ich komme mit mir sicher ins Reine. Ich habe soviel erreicht und war dreimal König. Vor einem Jahr schrieben mich 99,5 Prozent ab. Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich trotz der schweren Verletzung ganz vorne mitschwingen konnte.» Den Rücktritt vom Schwingen erklärte Jörg Abderhalden noch nicht: «Ich werde die Lage analysieren und mich mit der Familie besprechen.»

Abschied von Pellet

Nie mehr in die Zwilchhosen steigt dagegen Abderhaldens letzter Gegner, der 40-jährige Freiburger Hans-Peter Pellet. «Es ist ein wunderschönes Gefühl, die Karriere mit einem fünften eidgenössischen Kranz zu beenden», so der Publikumsliebling. Pellet: «Dass ich den letzten Gang noch mit Jörg Abderhalden bestreiten durfte, war wie ein weiterer Sieg für mich. Ich bin jetzt 40, der Rücktritt muss sein.»

Wie Pellet (136 Kränze total -- Rekord!) errangen auch Jörg Abderhalden, Nöldi Forrer und Martin Grab den fünften eidgenössischen Kranz. Die meisten Kränze gingen in die Nordostschweiz (13). Die Berner und Innerschweizer holten je zwölf Mal Eichenlaub. Dass der Nordostschweizer Teilverband die Kranzwertung gewann, versöhnte den Gastgeber, denn für die NOS-Schwinger war das Fest gar nicht optimal verlaufen. Stefan Fausch, als Königsanwärter gestartet, schied mit drei Niederlagen schon am Samstag aus. Nach fünf Gängen und der Niederlage von Jörg Abderhalden gegen Wenger war der NOS-Teilverband unter den besten 15 Schwingern bloss noch mit Aussenseitern vertreten.



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