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Spaniens stürmerfreie Zone

Ob Spanien das Spiel ohne Stürmer zum Konzept erklärt, oder bereits im nächsten EM-Einsatz gegen die limitierten Iren wieder von ihrem «Experiment» abweichen, wird sich weisen. Vicente del Bosque sorgte mit seiner Taktik für internationalen Gesprächsstoff.

bg / Quelle: Si / Dienstag, 12. Juni 2012 / 19:15 h

Zum 1:1 ist «Real Barcelona» gegen Italien in der Tat nicht gestürmt. In Spaniens Auswahl aus den wichtigsten beiden Fussball-Städten des Landes figurierte bis zur 74. Minute kein Stürmer. Vicente del Bosque formierte den Favoriten in einem 4-3-3. Gegen den defensiven Fünfer-Block der Azzurri setzte der Coach bedingungslos auf die Kunst der Kombination. Den beabsichtigt hohen Ballbesitz (60 Prozent) erreichte Del Bosque mit seiner Strategie. Die Italiener verteidigten vorzugsweise, gerieten aber nie derart unter Druck wie vor ein paar Wochen Chelsea im Champions-League-Halbfinal gegen «Barça», das ausnahmslos mit derselben Taktik zu operieren pflegt. Am Ende überwog in der kritischen Nachbetrachtung die Ineffizienz. Haften blieben die Quer- und Rückpässe.

Kein Verständnis der spanischen Medien

Derweil die «Gazzetta dello Sport» das Remis euphorisch bejubelte, schüttelten die spanischen Kommentatoren mehrheitlich verständnislos den Kopf. «El Mundo» unterstellte Del Bosque eine Mitschuld am unbefriedigenden Resultat: «Er beginnt die EM mit einem taktischen Fehler und lässt Spanien ohne einen 9er spielen.» Auch Luis Aragones schaltete sich in die System-Debatte ein. Der «Maestro aus Hortaleza» erteilte seinem Nachfolger in einer Kolumne in der «Marca» einen simplen Ratschlag: «Ich hätte mit einem Mittelstürmer spielen lassen.» Die Nominierung von Cesc Fabregas als «falscher 9er» habe ihn gewundert.

Favres Analyse: «Etwas überrascht»

Das bislang in jeglicher Beziehung interessanteste Spiel der EM löste europaweit Reaktionen aus.



Cesc Fabregas bekam die Chance von Beginn weg. /

Mönchengladbachs Coach Lucien Favre, der in der Bundesliga den Status eines führenden Taktikers geniesst und bekennender Anhänger virtuoser Kombinationen ist, mochte seinen Branchenkollegen nicht kritisieren: «Dass Spanien ohne Stürmer spielte, hat mich schon auch etwas überrascht. Aber wir kennen die Details seiner Überlegungen nicht. Es war extrem schwierig, die Lücken zu finden. Italien war hervorragend organisiert.» Torres sei bei Chelsea nicht Stammspieler gewesen, wirft Favre ein. «Das könnte eine Rolle gespielt haben.» Die Absenz von David Villa gewichtet er höher als die Besetzung der vordersten Reihe. Er wäre der ideale Spieler, den man als Coach benötige, um einen Gegner mit einer 3-5-2-Ausrichtung auszuspielen: «Der Stürmer muss in die Tiefe sprinten und auch auf die Seiten ausweichen können, um dann mit Power in die 1:1-Situationen zu gehen. Er muss sich am Spiel beteiligten können. Davon gibt es auf der Welt nur ganz wenige - Villa wäre einer davon.»

Spaniens Taktik

Tiqui-Taca - das endlose Kurzpassspiel hat Spanien in den letzten Jahren kultiviert. Die Umsetzung ohne Angreifer mit beruflichem Hintergrund ist nun einfach die konsequenteste Form der «Barça»-Schule. Ein neuer Trend ist nach nur einer Partie nicht abzuleiten. Für einen modernen Mittelfeldspieler wie Granit Xhaka beispielsweise ist diese extreme Spielform für die Iberer reserviert: «Nur sie können das so spielen, keine andere Nation!»

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