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Wettbewerbs-bevorteilender Selbstmord

Es ist soeben ein Papier über die Steuer-Tricksereien des Möbel-Giganten Ikea erschienen, in dem die unglaublichen Methoden aufgezeigt werden, mit denen Ikea die Länder in denen die Firma tätig ist - und das sind praktisch alle - um riesige Steuer-Einnahmen bringt. Doch muss da wirklich Ikea der Vorwurf gemacht werden?

Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Dienstag, 21. Oktober 2014 / 15:00 h

Wenn jemand Steuern optimiert, ist dies, soweit es im Rahmen der Gesetze passiert, in Ordnung. So machen wir alle unsere Abzüge geltend, wenn wir unsere Steuer-Erklärungen ausfüllen. Wir achten darauf, dass wir keine der relevanten Rechnungen vergessen und auch die Distanz des Arbeitsweges wird genau berechnet, so dass auch dort das Maximum abgezogen werden kann. Logisch.

Doch Firmen - und vor allem Multinationale Konzerne - würden (könnten Sie denn) nur müde über solchen Pipifax grinsen. Das Beispiel Ikea (und Amazon, Google, Apple usw...) zeigt, wie man aus einem steuertechnischen Blauwal eine Spitzmaus machen kann. Ein labyrinthisches System aus Holdings, Franchise-Nehmern, Lizenzgebern und Stiftungen sorgt dafür, dass Ikea seine ziemlich fantastischen Gewinne in Stiftungen verstecken kann und dabei fast keine Steuern zahlen muss. Sicher: 6.1 Milliarden seit 2009 tönt nach einer grossen Summe, doch bei bei einem Jahresgewinn von über 4 Milliarden (wobei dieser Gewinn dank diversen Tricks sicher noch mal klein gerechnet wurde), rückt die Dinge wieder in ein realistisches Licht.

Doch nochmals: Ist Ikea daran schuld? Oder machen die nur, was wir machen, einfach in einem anderen Massstab. Ikea und auch die anderen Steuer-Trick-Giganten bestehen immer darauf, sich an die Steuer-Gesetze der jeweiligen Länder zu halten. Was sie vermutlich auch tun. Und dies deutet wohl auf das echte Problem hin: Die Steuer-Gesetze.

Und die Steuergesetze sind von Parlamenten erlassen worden.



Das Beispiel Ikea (und Amazon, Google, Apple usw...) zeigt, wie man aus einem steuertechnischen Blauwal eine Spitzmaus machen kann. (Symbolbild) /

Wie das im Kleinen funktioniert sehen wir ja in der Schweiz. Während Jahren versuchten Kantone anderen Kantonen mit mehr oder weniger originellen Steuergesetzen die Steuerzahler abspenstig zu machen. Dabei profitierten vor allem jene, die zuerst auf die Idee gekommen waren und sich so eine gute Basis schaffen konnten. Doch irgendwann kamen auch alle anderen darauf und arbeiteten hart daran, Unternehmen oder Privatpersonen anzulocken. Dabei kam es zu ziemlich irren Konstellationen wie zum Beispiel Appenzell Ausserrhoden, wo es bald mehr Briefkastenfirmen als Arbeitnehmer gab.

Doch generell  herrschte ein Rennen zum Boden hinunter - oder gar durch diesen hindurch. Die Steuererträge sanken und da tiefe Steuern zum sakrosankten Glaubenssatz wurden, musste und muss eben gespart werden: Bei denen die Arbeiten, bei der Infrastruktur, bei denen, die nichts haben. Dabei war das Ziel des Steuerwettbewerbs ja eigentlich, durch tiefere Steuern mehr einzunehmen. Doch irgendwie will dies, auch mehr als dreissig Jahre nach Ronald Reagan, immer noch nicht klappen.

Und was schon zwischen den Kantonen nicht funktioniert, klappt auch zwischen den Nationen nicht und noch viel weniger. Steuergesetze ergeben meist schon isoliert gesehen nicht allzuviel Sinn, für all jene, die sich nicht vollberuflich mit Ihnen beschäftigen. Nimmt man einige Dutzend solcher Gesetze und gibt diese Steueranwälten von multinationalen Konzernen zum Spielen ergeben sich daraus vor dem Hintergrund des «freien Kapitalflusses» wahre Albtraum-Szenarien für die Staaten, die sich der Mittel beraubt sehen, um jene Dinge aufrecht zu erhalten, die erst zu ihrem Erfolg geführt hatten.

Jene Mechanismen, die eigentlich dafür gedacht waren, mehr Steuersubstanz anzuziehen führen nun - in Kombination mit den Gesetzen der konkurrierenden Nationen - zum verschwinden von Hunderten Milliarden aus den Staatshaushalten, während sich genau dieses Geld in den steuerlich privilegierten Konten der Superreichen finden. Dass dies keine Verschwörungstheorie ist, demonstrieren ja die Zahlen der globalen Vermögensverteilung, die klar zeigen, dass die Mittelklasse langsam verschwindet und sich eine neue Feudalgesellschaft am Bilden ist.

Auch wenn «Umverteilung» ein schmutziges Wort geworden ist, so war es genau diese, welche Europa für lange Zeit zu einem wirtschaftlich potenten Kontinent gemacht hat, in dem eine Konsumstarke Mittelklasse durch Konsum ohne Verschuldung den Wirtschafsmotor mit am laufen hielt.

Die Bemühungen der OSZE und anderer Organisationen, die Steuerlöcher zu stopfen, sind lobenswert, doch es ist fraglich, ob diese Feuerwehrübung früh genug gestartet worden ist, um den Absturz der Nationalstaaten noch zu bremsen und die eingeleitete Dynamik, die derzeit durch immer weitere Sparpakete in einem Wahn des wettbewerbs-fördernden Selbstmords der Staaten voran getrieben wird, zu durchbrechen.

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