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WM-Tagebuch: Fussballer als Heulsusen

In seinem WM-Tagebuch berichtet der fussball.ch-Fussball-Experte Pascal Dörig über die Highlights, Überraschungen und Enttäuschungen des vergangenen WM-Tages. Diesmal mit dem neuseeländischen Last-Minute-Glück, dem schwachen Gekicke von Cristiano Ronaldo und Co. und dem grossen Favoriten Brasilien.

Pascal Dörig / Quelle: news.ch / Mittwoch, 16. Juni 2010 / 14:31 h

Liebes Tagebuch: Der gestrige Tag war für mich irgendwie nur der Tag bevor die Schweiz ins Turnier einsteigt. Das erste Spiel des Tages riss keinen vom Hocker und wäre da nicht Neuseelands Torhüter Mark Paston gewesen, wäre ich wohl während dem Spiel eingenickt. Der 33-Jährige segelte wie ein klassischer Fliegenfänger an den Hereingaben der Slowaken vorbei. Einmal, als er das Tor verliess um den Ball nach vorne zu schlagen, zielte er am Spielgerät vorbei und hätte so um ein Haar das 1:0 der Mitteleuropäer eingeleitet. Ein kleines Schmunzeln konnte ich mir nicht verkneifen. Es schien mir ein bisschen so, also ob Paston in den vergangenen Tagen dem Trio Robert Green, Faouzi Chaouchi und Justo Villar zugeschaut hat, die allesamt mit Torhüterfehlern Gegentore einleiteten.

Das Abseitstor

Was den Slowaken nach den Patzern von Mark Paston nicht gelang, schaffte Robert Vittek in der zweiten Hälfte aus einer Abseitsposition heraus, nämlich den Führungstreffer. Für Gerechtigkeit sorgte Neuseelands Rechtsaussen Winston Reid gleich selbst. In sprichwörtlich letzter Sekunde fiel das Ausgleichstor von Aotearoa, auf mamorisch Neuseeland. Etwas Freude über das Tor der Kämpfer von Down Under kam sogar bei mir auf. Beim nächsten Grümpelturnier nennt sich meine Mannschaft übrigens Aotearoa, da kann ja nichts mehr schief gehen. Einzig unser Torhüter sollte sich etwas zusammenreissen.

CRs schwacher Auftritt

Neuseeland – Slowakei war Geschichte, jetzt stand Elfenbeinküste – Portugal auf dem Programm. Ein Spiel auf das ich mich sehr gefreut hatte. Und wie das so ist, wenn man sich speziell auf etwas freut, die Enttäuschung danach ist gross. Auf dem Platz standen Spieler wie Cristiano Ronaldo, Liedson, Salomon Kalou und ab der 66. Minute auch Didier Drogba, hätte es doch jetzt Tore am Fliessband hageln müssen. Naja, musste es eben nicht. Nach dem 0:0 haben beide Teams alle Chancen auf die Achtelfinal-Qualifikation der Todesgruppe G und konnten demnach auch mit dem Resultat leben. Wir Zuschauer sahen einfach ein weiteres Spiel, dass wir uns hätten schenken können. Da das Spiel nicht viel lieferte hatte ich genug Zeit um mich anderen Sachen zu widmen und mir Gedanken dazu zu machen. So ist mir aufgefallen, dass sich zwar die Holländer «Oranje» nennen, aber die Ivorer eigentlich viel mehr «Oranje» sind. Mit ihren orangen Shirts, Hosen und Stulpen waren wenigstens die Trikots einen Hingucker wert.



Didier Drogba feierte nach einer Wunderheilung sein Comeback. /

Zu Tränen gerührt

Nach zwei eher mittelmässigen Spielen am Nachmittag hatte ich noch eine Hoffnung auf guten Fussball und die hiess Brasilien. Das Wahre war auch die Leistung der Samba-Kicker nicht. Auf der Flagge der Brasilianer ragt der Spruch «Ordem e Progresso» hervor. Was zu Deutsch «Ordnung und Fortschritt» bedeutet. Die Ordnung war bei der «Seleçao» mehrheitlich vorhanden und die Möglichkeit zum Fortschritt bestand auch, gut war das nämlich bei weitem noch nicht. Hat also etwas dieser Spruch. Beginnen wir mal von vorne. Das kann ja heiter werden dachte ich mir bei der Hymne Nordkoreas, als ich sah, dass Tae Se Jong seine Emotionen nicht unter Kontrolle hatte und mit den Tränen kämpfte – den Kampf aber verlor. Wie Jong bei der Hymne, so Maicon nach seinem Treffer zum 1:0. In der Situation Maicons würde vermutlich jeder Fussballer eine Flanke vorziehen, doch der Instinkt schien dem Brasil-Star zu sagen, dass ein Schuss aufs Tor vom Erfolg gekrönt wird, was dann auch so war. So ganz sicher bin ich mir aber nach wie vor nicht ob das so gewollt war.

1 Jahr WM-Vorbereitung

Das Tor musste der nordkoreanische Torhüter auf seine Kappe nehmen. Er bewegte sich von der Torlinie weg und ermöglicht Maicon so den Torerfolg – ein klarer Torhüterfehler. Schnell wurde mir dann klar, dass die Tränen Maicons vielleicht auch daher kommen, dass er seine Tat bereut und Mitleid mit dem nordkoreanischen «Buh-Mann» im Tor hatte. In der Folge fielen noch zwei Tore, eines auf beiden Seiten. Brasilien gewann mit 2:1, aber die Leistung der Asiaten konnte sich sehen lassen. Im Vorfeld der WM bereiteten sie sich ganze zehn Monate auf das Grossereignis vor. Sie haben richtig gelesen zehn Monate! Man kann trotz der Niederlage sagen mit Erfolg. Sollte die Schweiz heute gegen Spanien untergehen, was keiner hofft, könnte man sich eventuell für die nächste Weltmeisterschaft überlegen die Super League für ein Jahr einzustellen und sich ein Jahr lang auf die WM vorbereiten.

Massenproduktion bei der FIFA

Eine Bemerkung am Rande: Das 2:1 von Nordkorea war der 23. Treffer an der Endrunde in Südafrika. 23 Tore, die von 23 verschiedenen Spielern erzielt wurden. Vorsorglich sollte die FIFA bereits einmal die Auszeichnung des Torschützenkönigs in Massenproduktion geben, man will ja für alle Fälle gewappnet sein.

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