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Muss die WM 2022 neu vergeben werden?

Vier hochrangige FIFA-Funktionäre sollen 20 Millionen Dollar dafür erhalten haben, dass sie im Dezember für eine WM 2022 in Katar stimmten. Dies behauptet der suspendierte FIFA-Vizepräsident Jack Warner, der heute in Zürich Beweise vorlegen will.

fest / Quelle: Si / Montag, 30. Mai 2011 / 21:57 h

Die FIFA kommt in den Tagen vor der morgigen Präsidentschafts-Wahl im Zürcher Hallenstadion nicht mehr zur Ruhe. Der am Sonntagabend von der FIFA-Ethikkommission suspendierte Vizepräsident Jack Warner hat gestern mit neuen Anschuldigungen gegen Präsident Joseph Blatter geschossen. Die gestrigen, zum Teil bizarren Vorwürfe konnten von ihm bisher aber nicht bewiesen werden. Nun will er heute Dienstag anlässlich einer persönlichen Medienkonferenz nachlegen, und zwar mit Bestechungsvorwürfen, welche durchaus die Kraft des von ihm angekündigten «Fussball-Tsunamis» haben könnten, sollten seine Beweise hieb- und stichfest sein.

Der Funktionär aus Trinidad und Tobago behauptet gemäss deutschen Quellen, mit Dokumenten und Bankauszügen beweisen zu können, dass die vier FIFA-Exekutivmitglieder Issa Hayatou (Kam), Nicolas Leoz (Par), Julio Grondona (Arg) und Rafael Salguero (Guatemala) insgesamt 20 Millionen Dollar für ihre Stimme zugunsten Katars erhalten haben. Ein ehemaliger FIFA-Offizieller soll diese Namen heute bestätigen. Das wäre jener Skandal, der den Fussball-Weltverband nur Stunden vor der feierlichen Eröffnung des Kongresses im Hallenstadion tatsächlich in seinen Grundfesten erschüttern würde. Er könnte dafür sorgen, dass die WM 2022 neu vergeben werden müsste.

Blatter wehrt ab

Bis gestern wollte Präsident Blatter - allerdings in Unkenntnis der neusten Entwicklungen - von solchen Szenarien aber nichts wissen. Er verteidigte die WM-Vergabe nach Katar mit klaren Worten: «Es gibt keinen Grund, dass sie neu angesetzt werden müsste. Der Entscheid für 2022 ist nach dem genau gleichen Prozedere gefällt worden wie zuvor für 2018. Es gab keine Probleme und Diskussionen deswegen im Exekutiv-Komitee.»

Der FIFA-Präsident bezog sich bei seinen Ausführungen auch auf einen Bericht des englischen Fussballverbandes zu Bestechungsvorwürfen des ehemaligen FA-Präsidenten Lord David Triesman vor dem britischen Parlament. «Es hat mich gefreut, dass nichts hängen geblieben ist, was die Anschuldigungen untermauert hätte oder Grund für rechtliche Schritte gäbe.» Der ehemalige Chef der englischen WM-Bewerbung hatte ebenfalls hochrangige FIFA-Funktionäre der Bestechung bei der WM-Vergabe 2022 bezichtigt.

Unruhe um persönliches E-Mail

Weiter für Unruhe gesorgt hatte gestern auch ein persönliches E-Mail von Generalsekretär Jérôme Valcke, das durch Warner teilweise veröffentlicht worden ist. Der Franzose war von Warner gefragt worden, was er zur Kandidatur von Mohamed bin Hammam meine.



FIFA-Präsent Blatter will davon nichts wissen. /

Zudem hatte er Valcke gebeten, den Katarer zum Rückzug zu bewegen. Valcke antwortete salopp, dass er nicht verstehe, weshalb Bin Hammam kandidiere: «Entweder glaubt er wirklich, eine Chance zu haben oder dann möchte er damit lediglich seine tiefe Abneigung gegen Blatter ausdrücken. Oder er glaubt, dass man die FIFA kaufen könnte, so wie sie die WM gekauft haben.»

Die FIFA liess umgehend verlauten, dass man der Sache nachgehen werde und das Bewerbungskomitee aus Katar wies kategorisch alle Stimmenkäufe zurück. Man erwarte von der FIFA umgehend Klarheit über die Äusserungen ihres Generalsekretärs und behalte sich juristische Mittel vor. Im Verlauf des Nachmittags präzisierte Valcke dann gestern seine im Mail gemachten Ausführungen. Er schickte voraus, dass er sich in einem persönlichen E-Mail viel weniger formal ausdrücke als in offiziellen Korrespondenzen. «Bezüglich der WM-Vergabe nach Katar meinte ich, dass die Bewerber ihre finanziellen Möglichkeiten voll eingesetzt haben, um volle Unterstützung bei der Wahl zu erhalten. Es war nie meine Absicht, den Eindruck zu erwecken, dass sich diese die Stimmen auf illegale Art verschafft hätten.»

Millionen-Forderung aus Australien

Weiteres Kopfzerbrechen dürfte der FIFA auch die gestrige Forderung des australischen Senators Nick Xenophon bereiten, der vom Fussball-Weltverband gestern rund 40 Millionen Franken für die seiner Meinung nach sinnlose Bewerbung Australiens um die WM 2022 zurückverlangte. «Wir haben fast 46 Millionen australische Dollar für eine Bewerbung ausgegeben, mit der wir nicht den Hauch einer Chance hatten, weil Stimmen mit Bestechungsgeldern gekauft wurden.»

Sollten die Unterlagen von Warner heute beweisen, dass die WM-Vergabe 2022 im Dezember getürkt war, würden wohl auch die anderen gescheiterten Kandidaten ihre Forderungen erheben. Dass die Nerven bei der FIFA-Spitze nach all diesen Vorwürfen und Anschuldigungen blank liegen, erlebten die rund 100 Journalisten, welche gestern einer Medieneinladung Blatters Folge leisteten. Der FIFA-Präsident brach den Anlass nach rund 30 Minuten abrupt ab und hinterliess viele offene Fragen und vor allem entrüstete Journalisten. «Ich habe um Respekt gebeten und will nichts anderes. Ich werde mich aber nicht auf Einzel-Diskussionen mit Personen einlassen, die nur Probleme machen wollen.»  


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