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Die Hälfte des Himmels

China hat zu wenig Frauen. Weil chinesische Eltern Knaben bevorzugen als Nachkommen, werden Mädchen häufiger abgetrieben. Dieses Missverhältnis könnte zu Problemen führen, fürchtet die Regierung.

Peter Achten / Quelle: news.ch / Dienstag, 6. September 2011 / 13:03 h

Was die Festtage betrifft, lebt es sich in China in der besten aller Welten. Die Zeit der «Goldenen Wochen» allerdings ist vorbei. Während Jahren jeweils am Frühlingsfest (chinesisches Neujahr) Ende Januar / anfangs Februar, am Tag der Arbeit am 1. Mai und am Nationalfeiertag am 1. Oktober gab es staatlich verordnete sieben Tage frei. Übrig geblieben ist noch eine einzige «Goldene Woche» zum chinesischen Neuen Jahr. Dafür wurde die Zahl der offiziellen Feiertage erhöht. Summa summarum, mit den Ferien gerechnet, ist die Dauer der Freizeit und Ferien gleich geblieben. Aus alten kommunistischen Tagen ist in der «sozialistischen Marktwirtschaft mit chinesischen Charakteristiken» eine Besonderheit übriggeblieben, die den «Massen» zwar keinen freien Tag dafür aber um so mehr Reputation und Anerkennung beschert. Also etwa der Tag der Lehrer, der Tag der Schüler, der Tag der Helden der Arbeit, der Tag der Alten, der Tag des Umweltschutzes, und so weiter und sofort. Dem Tag der Frau etwa kommt besondere Bedeutung zu.

Der Grund: China hat zu wenig Frauen. Chinesische Eltern bevorzugen nach alter konfuzianischer Tradition als Nachkommen immer noch Knaben, weil beim erst lose geknüpften sozialen Sicherheitsnetz Knaben so etwas wie die Altersvorsoge sind. Mit der noch immer geltenden Ein-Kind-Politik hat sich das Problem verschärft. Obwohl verboten, lassen viele Eltern mit Ultraschall das Geschlecht bestimmen und ? ist es ein Mädchen - wird sehr oft abgetrieben. Das Verhältnis Männer zu Frauen ist derzeit 118 zu 100 (international: 104-106 zu 100), ein Missverhältnis, das ? fürchtet die Regierung ? in Zukunft zu Unruhen führen kann. Bereits jetzt ist Mädchen- und Frauenhandel ein Problem, besonders auf dem Lande, wo Bauern nur schwer eine Frau finden können.

Die Regierung versucht alles, um das Problem zu lösen. Im XII. Fünf-Jahresplan ist gar eine Quote vorgegeben. Bis 2015 sollen mindestens dreissig Prozent aller Posten in Partei und Parlamenten von Frauen besetzt sein. Auf unterster lokaler Ebene sollen bis dann zehn Prozent aller Dorfvorsteher und vierzig Prozent aller Quartier-Kader weiblichen Geschlechts sein.

Auch das Ehe-Gesetz wird derzeit vom Obersten Gerichtshof neu beurteilt. Die Zahl der Scheidungen sind explodiert. Die Herren der Schöpfung kommen dabei immer finanziell glimpflicher davon als die Frauen.



Er versprach den Frauen «Die Hälfte des Himmels»: Mao mit seiner vierten Frau Jiang Qing. /

Bereits ein Drittel aller Heiraten werden in den Grossstädten wie Peking, Kanton oder Shanghai geschieden. Ein Zustand, der im traditionellen China und noch zu den revolutionären Zeiten Mao Dsedongs undenkbar war. Kein Wunder, denn früher wurden die Heiraten meist von Eltern und Verwandten arrangiert. Heute gelten andere Muster. Liebesheiraten zum einen, Geldheiraten zum andern. Immer öfter nämlich spielt das Einkommen und Vermögen des Mannes eine Rolle. In Grossstädten etwa sollte der Mann in der Regel eine Wohnung, ein Auto, einen Computer und einen Fernseher in die Ehe einbringen. Längst sind die Mao-Zeiten vergangen, als noch ein Velo, eine Nähmaschine, eine Uhr und ein Radio als Mass aller Dinge galten.

In den Medien wird derzeit die Frauenfrage vehement und kontrovers diskutiert. Die Herren der chinesischen Schöpfung haben es nicht mehr so leicht wie früher. Der «Grosse Vorsitzende» Mao hatte ein Faible für Frauen, privat und politisch. Seit der Machtübernahme 1949 setzte er sich für die Befreiung der Frauen ein. Das war nicht einfach, denn die Kommunisten trafen feudale Verhältnisse vor. Viele Frauen hatten noch gebundene, verkrüppelte Füsse. Eine der wenigen positiven Punkte der «Grossen Proletarischen Kulturrevolution» (1966-76) etwa war eine für China geradezu revolutionäre Gleichstellung von Rotgardisten und Rotgardistinnen, Männern und Frauen.

In den obersten Gremien von Partei und Regierung freilich sind heute beinahe noch keine Frauen tätig. Nur acht Funktionärinnen agieren auf Staatsebene. Im alles entscheidenden Politbüro sitzen 20 Männer und eine Frau. In der boomenden Wirtschaft allerdings sind Frauen entscheidend. Fast die Hälfte aller Arbeitskräfte sind weiblich, und jede dritte ist eine Führungskraft. Von 150 Millionen Unternehmern in Klein- und Mittel-Betrieben sind dreissig Millionen Frauen.

Mao Dsedong versprach den Frauen Ende der 60er Jahre nichts weniger als die «Hälfte des Himmels». Noch ist es nicht soweit. Nicht in der Politik, und schon gar nicht im Privaten. Denn noch immer sind es die Frauen, welche die Hauptlast der Hausarbeit tragen....


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