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Abschied vom «Alphatier»

Bern - Die Schweizer Presse würdigt in ihren Kommentaren Originalität und Eigensinn der abtretenden Aussenministerin Micheline Calmy-Rey. Sie habe der Aussenpolitik des kleinen Landes Profil gegeben, aber mit ihrer aufreizend eigensinnigen Art auch viele irritiert.

fkl / Quelle: sda / Donnerstag, 8. September 2011 / 07:17 h

«Gegen die immer wieder aufflammende Kritik» habe sich Calmy-Rey «weitestgehend immun» gezeigt, schreibt die «NZZ». Sie sei «standfest, unbequem, zuweilen starrköpfig» geblieben. Ihrem Image sei dies «nicht abträglich» gewesen. «Im Gegenteil: Dass sie gegen den Strom schwamm», habe sie populär gemacht. Mit Calmy-Reys Abgang trete «eine eckige Magistratin» ab, «eine unbequeme Departementschefin auch». Damit ende im Bundesrat eine «Ära der 'Alphatiere'», schreibt die «NZZ».



Micheline Calmy-Rey an der Medienkonferenz zu ihrem Rücktritt. / Foto: EQ Images

Zu dieser «Spezies» zählten demnach Christoph Blocher, Pascal Couchepin - und eben auch Calmy-Rey.

Der «Tages-Anzeiger» weist darauf hin, dass Calmy-Rey mit ihrem Rücktrittstermin zum Ende dieses Jahres vor allem ihre BDP-Bundesratskollegin Eveline Widmer-Schlumpf in Schwierigkeiten gebracht habe. Mit dem Abgang der 66-jährigen Genferin würden die Chancen der 55-jährigen Bündnerin, für eine weitere Amtsdauer in die Regierung gewählt zu werden, sinken.

Für den «Blick» ist Calmy-Rey die Frau, «die in den vergangenen neun Jahren die Schweiz auf die Weltkarte der internationalen Diplomatie», aber auch «die Welt auf die Traktandenliste der Schweiz gesetzt hat». Kurz: «Sie wird dem Land fehlen», schreibt das Boulevard-Blatt.

Abrechnung in der BaZ

Einer Abrechnung gleich kommentiert die «Basler Zeitung» (BaZ) Calmy-Reys Wirken: Sie «hinterlässt eine Ruinenlandschaft, deren Krater und verbrannte Erde noch jahrelang zu besichtigen sein werden. Kaum ein Magistrat hat die Stellung der Schweiz in der Welt mehr untergraben, keine Aussenministerin den Ruf dieses Landes nachhaltiger erschüttert», schreibt der BaZ-Chefredaktor und Autor einer Biografie von Christoph Blocher, Markus Somm.

Ganz anders die «Berner Zeitung»: Sie zollt der ersten Schweizer Aussenministerin Anerkennung dafür, dass sie «die Diplomatie aus dem Dunstkreis verschlossener Hinterzimmer befreit und auch mal undiplomatisch Klartext gesprochen» habe. Allerdings habe sie auch «oft mit ihrem Hang zur Selbstdarstellung und ihrer Überinterpretation einer aktiven Neutralitätspolitik» überbordet.

Nachbarländer vernachlässigt

Die westschweizer Presse geht - neben viel Lob für eine stärkere internationale Positionierung der Schweiz («Tribune de Genève» und die Lausanner «24 heures») - mit Aussenministerin Calmy-Rey aber auch hart ins Gericht: Sie habe wenig Gespür gezeigt für strategische Fragen und darum auch die wichtigen Nachbarländer der Schweiz vernachlässigt, kritisiert die Genfer Zeitung «Le Temps».

Berlin, Paris und Rom seien in den neun Jahren Calmy-Reys als Chefin der Berner Diplomatie zu kurz gekommen. Gerade hier sei für die Schweiz am meisten zu gewinnen - aber eben auch zu verlieren.

 


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