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Blüht Frankreich ein «Déjà-vu»?

23 Spiele lang war Frankreich ungeschlagen, ehe die bereits ausgeschiedenen Schweden am Dienstag in Kiew die imposante Serie beendeten. Die scheinbare Harmonie innerhalb der «Equipe tricolore» ist gestört.

bg / Quelle: Si / Samstag, 23. Juni 2012 / 12:00 h

Nach der 0:2-Niederlage gegen die Skandinavier war es in der französischen Garderobe des Olympiastadions in Kiew hitzig geworden. Laut Aussagen von Spielern kam es zu heftigen Diskussionen zwischen Trainer und Spielern. «Es ging heiss zu und her», bestätigte auch Trainer Laurent Blanc die nach aussen gesickerten Ungereimtheiten. «Aber das gehört zum Leben einer Mannschaft in der Kabine», so der 46-Jährige. Laut der Zeitung «L'Equipe» soll Hatem Ben Arfa dem Trainer sogar angeboten habe, ihn nach Hause zu schicken, weil er über seine Auswechslung verärgert war. Ein reinigendes Gewitter vor der K.o.-Phase? Oder der Rückfall in alte, überwunden geglaubte Zeiten? Nicht das Viertelfinal-Duell mit Titelverteidiger Spanien sondern die Möglichkeit einer neuerlichen Eskalation innerhalb des Teams ist in diesen Tagen im Umfeld des französischen Camps in Donezk das viel diskutierte Thema. Noch sind die Ereignisse von Südafrika nicht vergessen - und möglicherweise noch nicht alle Wunden geheilt.

Desaster in Südafrika

Blanc hatte vor zwei Jahren eine zweischneidige Aufgabe angetreten, als er die Führung der «Equipe tricolore» übernommen hatte. Wenige Wochen zuvor hatte die Nationalmannschaft eines der dunkelsten Kapitel in der ruhmreichen Geschichte der «Fédération Française de Football» geschrieben, als der französische WM-Alltag von Streitereien, gegenseitigen Beschimpfungen und einem Spielerstreik geprägt war. Die peinlichen Bilder gingen um die Welt. «Le Président», wie Blanc in seiner Heimat genannt wird, wurde zugetraut, die Wogen zu glätten und das ramponierte Image des stolzen Verbands wieder aufzupolieren. Dem früheren Abwehrchef, einer der Leistungsträger beim Gewinn des WM- und EM-Titels 1998 und 2000, schien es zu gelingen, die talentierten, aber offensichtlich nicht einfach zu führenden Individualisten zurück in die Spur zu führen. Eineinhalb Jahre verlor Frankreich kein Spiel mehr; es schloss die Qualifikation als Gruppensieger ab und siegte in Testspielen gegen England, Brasilien und Deutschland. Und: Das Auftreten der Mannschaft war zuletzt in allen Belangen tadellos - bis am letzten Montag.

Stabilität auf fragilen Pfeilern

Assistenztrainer Alain Boghossian glaubt nicht, dass die jüngsten Diskussionen der Beginn einer neuerlichen Selbstzerfleischung sind. Der 41-Jährige, zusammen mit Blanc Weltmeister geworden, war bereits beim Desaster in Südafrika als Assistent von Raymond Domenech mit dabei. «Die Situation ist nicht vergleichbar», so Boghossian. Nach dem Nachtessen am Mittwoch seien sie zusammen gesessen und hätten die Sache ausdiskutiert.



Karim Benzema hat sein Potenzial an der EM noch nicht ausgeschöpft. /

Für den früheren Mittelfeldspieler ist eine solche Auseinandersetzung normal. «Es wäre schlimmer, wenn es die nicht geben würde.» Trotzdem: Die Pleite gegen Schweden offenbarte, dass die zuletzt erworbene Stabilität und Harmonie auf fragilen Pfeilern steht. Die Abwehr, die in den 23 Spielen nur 10 Gegentreffer erhalten hatte, zeigte sich für einmal verwundbar. Und mit Philippe Mexès fehlt der Abwehrchef gegen Spanien wegen der gegen Schweden kassierten zweiten Verwarnung. Auch die Offensive ist noch nicht richtig auf Touren gekommen. Franck Ribéry, Samir Nasri und Karim Benzema, die in ihren Klubs eine starke Saison absolviert hatten, haben ihr Potenzial noch nicht ausgeschöpft. Benzema ist einer der wenigen Topstürmer an diesem Turnier, der noch ohne Treffer dasteht. Die Partie gegen Schweden bezeichnete der Stürmer von Real Madrid als «Non-Match».

Starker Gegner wartet im Viertelfinal

Als Strafe für ihren uninspirierten Auftritt treffen «les Bleus» nun in den Viertelfinals bereits am Samstag in Donezk auf Titelverteidiger Spanien. «Ob Spanien oder Italien spielt keine Rolle», sagte Gaël Clichy. Auch Blanc weiss, dass jenes Team, welches Europameister werden will, früher oder später die Iberer aus dem Weg räumen muss. «Die Spanier spielen nicht nur sehr spektakulär, sondern auch schnell, einfach und effizient», so Blanc. Die Aussage ist auch als leise Kritik an seinem Team zu deuten, welches diese Anforderungen bisher noch nicht erfüllt hat. Der starke Gegner und die Ereignisse der letzten Tage haben zumindest dazu geführt, dass die Erwartungshaltung im «Hexagon» gesunken ist. «Die Euphorie ist nicht mehr so gross wie vor ein paar Tagen», erkannte Blanc. Für Boghossian könnten die Reibereien sogar ein Pluspunkt im Hinblick auf den Viertelfinal sein. Klar ist: Die Partie morgen Abend gegen den wohl stärksten aller möglicher Kontrahenten wird zur Reifeprüfung für die «Equipe tricolore» - auf und neben dem Feld.

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