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Überzogene Kritik am erneuten Finalisten

Spanien steht zum dritten Mal in Serie in einem grossen Final. Diese grandiose Leistung geht aber fast etwas unter in teilweise harscher Kritik bezüglich der Spielweise des Welt- und Europameisters.

bg / Quelle: Si / Donnerstag, 28. Juni 2012 / 17:00 h

Im Halbfinal gegen Portugal hallten teilweise gellende Pfiffe durch die Donbass Arena von Donezk. Die Spielweise der Spanier, die einmal mehr ihre Strategie, den Ballbesitz zu monopolisieren, zur obersten Maxime erkoren hatten, denen aber das Überraschungsmoment ausnahmsweise völlig abging, fand weder beim Publikum im Stadion noch vor den TV-Geräten breite Zustimmung. Für Sebastian Fest, den Sportchef der spanischsprachigen Redaktion der Presse-Agentur DPA, der normalerweise in Madrid stationiert ist und die Auftritte der besten spanischen Klubteams und der «Furia roja» regelmässig verfolgt, sind diese lauten Unmutsbekundungen übertrieben: «Ich kann sie nicht verstehen. Es ist doch immer noch ein Genuss zu sehen, wie sie den Ball berühren und zirkulieren lassen.» Ausser Zweifel steht, dass die Spanier an diesem Turnier bisher nicht so souverän aufgetreten sind wie in der jüngeren Vergangenheit. Ihr «Tiqui-taca» funktioniert zwar immer noch gut und die Passgenauigkeit ist mit rund 80 Prozent - von 4222 gespielten Pässen fanden 3386 ihren Adressaten - immer noch klar führend. Die spielerische Leichtigkeit geht ihnen aber ab und sie wurden nun doch schon in drei von fünf Partien (gegen Italien, Kroatien und Portugal) voll gefordert. «Sie wirken müde, nicht so frisch und explosiv wie sonst und speziell im Abschluss fehlt ihnen etwas», so Fest, der mutmasst, dass «sie vielleicht im dritten grossen Turnier hintereinander nicht mehr ganz so hungrig sind. Sie möchten zwar gewinnen, aber ein paar Prozent fehlten bisher.»

Gewaltige Erwartungshaltung

An vielen Stammtischen und anderen Diskussionsrunden ist nun der vermeintliche Leistungsabfall der Spanier ein Riesenthema, sie haben mit ihren oft spektakulären, gleichwohl aber disziplinierten Vorstellungen eine gewaltige Erwartungshaltung kreiert, ähnlich wie Roger Federer in seinen besten Jahren mit seinem viel zitierten Monster. Generell ist das aber alles Klagen auf hohem Niveau, praktisch alle anderen Nationen würden sich glücklich schätzen, in den letzten Jahren über einen solchen Leistungsausweis zu verfügen - oder schon «nur» an diesem Turnier am Sonntag im Olympiastadion von Kiew einlaufen zu dürfen. Die spanische Nationalmannschaft hat einen Aufschwung erlebt, der im internationalen Fussball einzigartig ist.



Spanien hat einen Aufschwung erlebt, der im internationalen Fussball einzigartig ist. /

Vorher notorische Underperformer, spielte Spanien 2008 die Konkurrenz an der EM mit einem Torverhältnis von 12:3 praktisch in Grund und Boden, mit Ausnahme der Italiener, welche man erst im Penaltyschiessen bezwang.

«Bester Fussball 2008»

2010 wurde in Südafrika der anfängliche Fehltritt gegen die Schweiz mit einem resultatmässigen Steigerungslauf korrigiert, der im hochverdienten Finalsieg gegen Holland gipfelte. Mit Ausnahme des 2:0 gegen Honduras konnten die Fans aber auch da nicht alle Partien bei Tapas und Sangria entspannt geniessen, alle weiteren Siege (gegen Chile, Portugal, Paraguay, Deutschland und Holland) kamen nur mit einem Tor Unterschied zustande. Fest vergleicht die drei Auftritte: «2008 hat Spanien den bei weitem besten Fussball gezeigt, 2010 folgte nach dem 0:1 gegen die Schweiz eine Serie knapper Siege. Es ist ja aber auch nur selten so, dass man die Turniere mit ganz grossem Fussball gewinnt. Und jetzt stehen sie trotz aller Kritik im Final, können also auch nicht viel falsch gemacht haben.» Auch in Spanien selber ist das Auftreten der Landesauswahl natürlich derzeit neben existenziellen und ökonomischen Fragen das Gesprächsthema schlechthin. Und auch zwischen Baskenland und Andalusien werden die Leistungen teils kontrovers diskutiert, wie Fest sagt: «Viele stellen sich Fragen, ob Vicente del Bosque die richtigen Spieler aufstellt und auch, ob einige Spieler satt sind. Aber eben, die Erwartungshaltung ist schon sehr hoch.»

Nur der Sieg zählt

Am Sonntag folgt nun der dritte Showdown nach den jeweils mit 1:0 gewonnenen Finals gegen Deutschland und Holland. Es ist kaum davon auszugehen, dass nach einem neuerlichen Finalsieg die mehr oder minder attraktive Spielweise noch lange ein Thema wäre, schliesslich zählt nur der Sieg. Und wer seit dem Spiel gegen die Schweiz in Pflichtpartien ungeschlagen und seit 2008 in K.o-Phasen ohne Gegentor ist, hat in jedem Fall genügend Selbstvertrauen, um das Triple zu schaffen. Das sieht auch Fest so: «Der Final ist eine ganz andere Angelegenheit. Die Erfahrung spielt eine zentrale Rolle und die Motivation wird noch grösser sein.»

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