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«Ich halte Infantino für unbestechlich»

Peter Gilliéron ist ein international respektierter und vorzüglich vernetzter Fussball-Diplomat. Sein Wort hat vor der FIFA-Wahl Gewicht. Dem europäischen Spitzen-Kandidaten Gianni Infantino attestiert er sehr gute Chancen.

bg / Quelle: Si / Dienstag, 23. Februar 2016 / 10:52 h

Seit 2011 sitzt Gilliéron in der UEFA-Exekutive und kooperierte jahrelang mit dem ambitionierten Generalsekretär der Zentrale in Nyon. Der SFV-Präsident hält den Walliser Rechtsanwalt im Moment für den kompetentesten Manager, um den angeschobenen Reformprozess im angeschlagenen Welt-Verband richtig umzusetzen. «Es braucht jetzt einen, der Good Governance kennt und täglich vorgelebt hat», betont Gilliéron im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda.

Weshalb setzt die UEFA im komplizierten Kampf um die Nachfolge von Sepp Blatter auf einen weiteren Schweizer? Kurz: warum Gianni Infantino?

«Die Geschichte beginnt natürlich früher. Wir hatten mit Michel Platini einen Kandidaten, von dem wir überzeugt waren, er könne das Rennen für sich entscheiden. Dann kam es zur Suspension von Platini, über die ich mich nicht weiter äussern möchte.»

Der König fiel, nun soll einer aus seinem Hofstaat übernehmen?

«Die UEFA legte sich frühzeitig fest. Die Gefahr, am Ende ohne einen valablen Vertreter dazustehen, hielten wir für zu gross. Infantino ist als Generalsekretär der UEFA allen bestens bekannt und ein absolut geeigneter Mann für die Präsidentschaftswahl.»

In welchen Bereichen hebt er sich ab? Der Walliser soll sechs Sprachen sprechen.

«Er ist sehr kommunikativ und gleichermassen intelligent. Ich halte Infantino für unbestechlich. Er spricht neben vielen Fremdsprachen auch die Sprache der Fussballer. Für mich ist er eben weit mehr als ein Administrator, Infantino besitzt die Gabe, Prozesse in Gang zu bringen und auch durchzuziehen. Er vereint die Eigenschaften eines CEO und Präsidenten.»

Es gibt FIFA-Experten, die im Zusammenhang mit Infantino trotz seiner Qualitäten von einer Verlegenheitslösung sprechen. Was entgegnen Sie diesen Kritikern?

«Auf der Welt gibt es viele FIFA-Experten. Infantino ist im aktuellen Zeitpunkt der Richtige, um die anstehenden und nötigen Reformen umzusetzen. Es braucht jetzt jemanden mit administrativer Erfahrung - einen, der Good Governance kennt, der dieses Bekenntnis am bisherigen Arbeitsplatz täglich vorgelebt hat.»

Warum soll die europäische Kandidatur die beste sein?

«Infantino ist ein Mann der UEFA, wir wissen, dass er einen ausgezeichneten Job machen wird. Und rein faktisch spricht für ihn, dass ein Europäer eine höhere Präsenzzeit im Hauptsitz garantieren kann. Für den Standort Schweiz ist das nicht unerheblich.»

Wie beurteilen Sie seine Wahlchancen?

«Die europäischen Verbände werden ihn geschlossen unterstützen. Auch Südamerika sowie weite Teile von Mittel- und Nordamerika dürften für Infantino stimmen. Zur Konstellation im asiatischen Raum gebe ich keine Prognose ab. Eine entscheidende Rolle wird höchstwahrscheinlich Afrika spielen. Vordergründig erklärten die Afrikaner, sie würden Scheich Salman wählen - das hingegen ist mit Vorsicht zu geniessen. Wahlen haben erfahrungsgemäss eine eigene Dynamik.»

Sprechen wir über die schwer definierbare Dynamik, das Lavieren im Hinterzimmer.



Peter Gilliéron würde Gianni Infantino als guten Präsident sehen. /

Ist es ein gutes Zeichen, dass sich wieder einmal fast alles um den Stimmenfang dreht, dass die Kandidaten dabei den Globus umrunden?

«In einem Wahlkampf ist es unvermeidlich, dass die Kandidaten ihre Programme einer breiten Öffentlichkeit präsentieren - der Inhalt wird nie von allen goutiert. Wahlversprechen sollten aber keinesfalls mit Korruption verwechselt werden.»

Mehr Geld für die Verbände ist immer ein gutes Wahlargument.

«Infantino legt den Verbänden keine Köder aus. Er handelt vielmehr nach einfachen Rechnungsgrundsätzen. Seit 1990 hat sich dass Einkommen der FIFA vervielfacht, die Ausschüttung an die Verbände veränderte sich allerdings nicht proportional. Seine Vorschläge sind so legitim wie seine Reisetätigkeit.»

Reformen sind geplant, die Spitze des Weltverbands wird neu besetzt. Reicht das?

«Vorweg: Die FIFA muss wieder zu einer respektierten Organisation werden, Good Governance ist für sie unerlässlich. Nur neue Köpfe können die Problemlösung beschleunigen. Es braucht in der Administration und in der Exekutive jetzt ein Umdenken, es ist Zeit zur Rückbesinnung. Dazu gehört ein Präsident, der strategische und repräsentative Aufgaben wahrnimmt, der sich zurückhält und weiss: Die wichtigsten Player stehen letztlich auf dem Rasen. Ein Präsident gehört nicht dauerhaft in den Vordergrund.»

Einen radikalen Umbau des Weltverbandes befürwortet die UEFA nicht.

«Nein, das geht nicht. Um erfolgreich Änderungen herbeizuführen, braucht es natürlich auch ein Grundwissen. Wir streben in erster Linie eine Neupositionierung der FIFA an. Und blenden Sie etwas nicht aus: Diese Organisation ist nicht einfach per se schlecht, sie ist im Gegenteil auch für extrem wichtige und gute Projekte verantwortlich. Die erfreuliche Entwicklung des Fussballs in Afrika, Asien und Südamerika darf sich die FIFA zuschreiben. Auch die Weltmeisterschaften sind nach wie vor ein enormer kommerzieller Erfolg.»

In der Öffentlichkeit hingegen der Lack der obersten Fussballbehörde ab, das Image der FIFA ist komplett ramponiert. Sponsoren drohen mit dem Absprung. Was muss im Home of FIFA passieren?

«Primär muss das Vertrauen wieder hergestellt werden. Die neuen Köpfe müssen an allen möglichen Stellen Überzeugungsarbeit leisten.»

Eine gute Überzeugungsarbeit und rasche Kooperation wäre mutmasslich auch mit der US-Justiz angezeigt. Befürchten Sie im Vorfeld der Wahl weitere Aktionen der New Yorker Ermittler?

«Ich hoffe es nicht. Mich würde es schon etwas schockieren, käme es vor den Wahlen zu weiteren spektakulären Verhaftungen im Morgengrauen in einem Zürcher Nobelhotel. Für mich ist vorstellbar, dass die amerikanische Justiz die Entwicklung innerhalb der FIFA beobachtet und abwarten wird. Sollten die Amerikaner aber tatsächlich die gesamte Organisation infrage stellen, drohen sehr grosse Probleme. Mit dem Wechsel an der Spitze könnte aber Druck entweichen.»

 


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