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Demokratie ist nicht die totale Macht der Mehrheit

Die Frage der Woche lautete: «Die Todesstrafeninitiative wurde nach grossem Mediengetöse zurück gezogen, bevor die erste Unterschrift gesammelt war, da das Ziel, Aufmerksamkeit zu ergattern, erreicht worden sei. Ist es statthaft, die Mechanismen der direkten Demokratie für solche Zwecke zu benutzen?» Heute der Beitrag von Mattea Meyer, Vizepräsidentin der JUSO Schweiz.

von Mattea Meyer / Quelle: news.ch / Montag, 30. August 2010 / 16:40 h

Demokratische Rechte werden in der Schweiz zu Recht hoch gehalten. Es gehört zu einer lebendigen Demokratie, dass eine Gruppe, die z.B. im Parlament keine Mehrheit für ihre Ideen findet, mittels direktdemokratischen Mitteln ihr Anliegen propagiert. In diesem Sinne werden Initiativen häufig dazu genutzt, Themen auf die politische Agenda zu setzen, auf sich aufmerksam zu machen und eine Volksabstimmung zu erwirken. Im Fall der Todesstrafeninitiative wurden diese Volksrechte jedoch dazu missbraucht, um einzig und allein Aufmerksamkeit zu erhaschen und sein Anliegen medial zu platzieren. Demokratie bedeutet nicht die uneingeschränkte Macht der Mehrheit. Demokratische Rechte hören dort auf, wo grundlegende Rechte wie das Völkerrecht verletzt werden. Die heutige Rechtsgrundlage sieht jedoch anders aus und muss verbessert werden. Zwei brisante Punkte im Initiativ-Prozess stechen besonders ins Auge: die Kriterien der Gültigkeit und der Zeitpunkt der Gültigkeitserklärung. Um der Gültigkeitsprüfung stand zu halten, muss das Volksbegehren drei Kriterien erfüllen: es muss formal und materiell einheitlich sein und darf nicht gegen zwingendes Völkerrecht verstossen, das ein unabdingbares Fundament zwischenstaatlicher Rechtsordnung darstellt. Da das zwingende Völkerrecht jedoch nicht genau definiert ist, ist es kaum durchsetzbar. Gleichzeitig haben wirtschaftlich interessante Verträge wie z.B. WTO-Abkommen innenpolitisch mehr Gewicht erlangt, als Menschenrechte.



Initiativen müssten unabhängig juristisch auf ihre Gültigkeit überprüft werden. (Foto: Bundesgericht Lausanne) /

Diese werden grosszügig missachtet, indem auf die Macht und Freiheit des Volkes verwiesen wird. Eine Initiative kann zwar nicht gegen zwingendes Völkerrecht, wohl aber gegen Völkerrecht an sich verstossen. Der Souverän stimmt so immer wieder über Initiativen ab, die «nur» das Völkerrecht verletzen. Als einziges Kriterium der Gültigkeit die Einhaltung von zwingendem Völkerrecht zu nehmen, geht demnach zu wenig weit. Es braucht stärkere Vorschriften wie z.B. die Einhaltung von Menschenrechte und Demokratie, denn das Wort des Volkes steht nicht über allem. Das Parlament überprüft die Gültigkeit einer Initiative erst, nachdem sie zustande gekommen ist, d.h. 100'000 Unterschriften gesammelt worden sind. Nebst den Kriterien der Gültigkeit muss daher auch der Initiativ-Prozess überdacht werden. Es muss die Möglichkeit geschaffen werden, ein Begehren vor dem Sammelstart zu verbieten, indem der Prozess der Gültigkeitserklärung vorgeholt wird. Das Parlament als politische Instanz und als Vertretung von Interessen ist dafür nicht ein geeignetes Gremium. Die Gültigkeitserklärung muss auf juristischen und nicht auf politischen Entscheiden basieren. Mit diesen notwendigen Verbesserungen würde es in Zukunft nicht mehr möglich sein, dass menschenrechtsverletzende Initiativen gesammelt und für gültig erklärt werden können. Es muss in einer Demokratie andere Wege und Mittel geben, auf ein politisches Anliegen aufmerksam zu machen, ohne Volksrechte dazu zu missbrauchen, wie dies bei der Todesstrafeninitiative geschehen ist.

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