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Ein Blick hinter die Kulissen: So sieht die Cloud von Innen aus

Irgendwo vor ein paar Wochen in Berlin: Es ist kalt und ich stehe vor einem Gebäude. Der Eingang: eine kleine unauffällige Stahltür. Nach dem Klingeln geht sie auf. Drinnen begrüsst mich der Technik-Chef des zweitgrössten Webhosting-Anbieters Europas: Strato.

Thorsten Neuhetzki / Quelle: teltarif.ch / Freitag, 16. März 2012 / 22:18 h

Das Unternehmen bietet in Deutschland zahlreiche Webhosting-Dienste aber auch Cloud-basierte Anwendungen an. In der Schweiz bietet Strato mit Free HiDrive eine kostenlose Online-Festplatte mit 5 GB Speicherplatz auf Lebenszeit an. Technik-Chef René Wienholtz hat sich an diesem Morgen Zeit genommen, mich durch das Strato-Rechenzentrum zu führen. Wo es ist, ist geheim. Nur so viel verrät Strato selbst auf seiner Webseite: Berlin. Für Lieferungen steht auf der Klingel der Name einer Tarnfirma. Um sicher zu gehen, dass ich niemandem sage, wo sich das Rechenzentrum genau befindet, hat mir die Presseabteilung vor dem Treffen zwei Dokumente zugeschickt: Vertraulichkeits- und Verschwiegenheitsvereinbarungen. Kostennote, wenn ich mich nicht daran halte: einige tausend Euro. Die Vereinbarungen schliessen auch das Benutzen von Kameras aus, die Bilder für diesen Artikel stammen von Strato. «Sie sind früh da», freut sich Wienholtz, der heute so gar nicht gekleidet ist, wie man sich einen Vorstand vorstellt: Jeans, grauer Kaputzenpulli, drunter ein T-Shirt. Aber es passt zur Umgebung, ein Anzug wäre hier fehl am Platz. Selbst ich fühle mich mit meinem Hemd schon overdressed. Wir stehen in einem kleinen Aufenthaltsraum, in dem zwei Techniker gerade noch gefrühstückt haben. Nun sitzen sie im Nebenraum, kümmern sich um neu eingetroffene Hardware und schauen immer wieder auf Monitore, die die Temperaturen im Rechenzentrum anzeigen. Die Wände im Eingangsbereich sind weiss, die Räume eher klein. An den Wänden stehen gerade eingetroffene Kartons mit neuer Hardware. Sie wird wohl bald an ihren vorgesehenen Platz geräumt. Adressiert sind die Kartons an die Tarnfirma. Kurz noch eine Unterschrift in einem Anwesenheitsbuch, dann kann es losgehen.

Beim Gang zum Trafo brummen über uns die Stromschienen

Der Technik-Vorstand lotst in die ersten Technik-Räume. Mit einer Chip-Karte, die er sich vorher aus einem Code- und Schlüssel-geschützten Schrank geholt hat, öffnet er mir die Türen. Vor einer Tür bleibt er stehen und zeigt auf ein Handy-Verbotsschild. Zeit, offline zu gehen. Auch für ihn. Über uns brummt es laut. «Hier hören Sie 50 Hertz», sagt er mir. Das Brummen komme von den Stromschienen, die aufgrund der hohen elektromagnetischen Kräfte vibrieren und dabei brummen. Kurz drauf stehen wir vor einem Trafo. Es ist einer von sechs Trafos, die den vom Stromversorger angelieferten Strom umwandeln. Jeder Trafo hat einen eigenen Raum, der Trafo selbst füllt diesen etwa zur Hälfte aus und wiegt mehrere Tonnen. Es macht Wienholtz bei der Tour durch die «Sekundärtechnik», die er selbst als die eher schmucklose Seite eines Rechenzentrums bezeichnet, Spass, mich zu beeindrucken. Er drückt mir eine Röhre, gross wie eine 1,5-Liter-Cola-Flasche in die Hand. «Das sind unsere Sicherungen.» Wir verlassen den Raum wieder, der sich hinter uns automatisch verriegelt und stehen im nächsten Raum vor einem von mehreren Diesel-Generatoren, jeder deutlich grösser wie ein Geländewagen. Es ist warm in dem Raum. Die Generatoren werden vorgewärmt. Er sorgt - mit einigen weiteren Generatoren - für Strom, wenn es keinen Strom vom Kraftwerk mehr gibt. Und zwar eine Woche lang, dann sind die Dieseltanks leer. Verträge sichern Strato jedoch eine schnelle Nachlieferung zu. Wienholtz selbst sagt: «Wenn wir - dann wohl de facto in ganz Berlin - eine Woche lang keinen Strom haben, ist vermutlich ein ernstes Problem eingetreten. Wichtig ist, dass wir auch dafür vorbereitet sind.» Ob und wieweit das Internet in einem solchen Fall nutzbar wäre, steht auf einem anderen Blatt. Dennoch habe man sich entsprechend abgesichert, das Rechenzentrum vier Wochen ohne Strom betreiben zu können. Das erfordert auch die ISO 27001 Zertifizierung des TÜV, die Strato seit 2004 hat. Die Generatoren werden regelmässig getestet.

Doppelte Absicherung: Stromzuführung, Generatoren und Internet - alles ist doppelt vorhanden

Überhaupt wird Absicherung gross geschrieben. Alles ist doppelt vorhanden: Egal ob die Stromzuführung ins Gebäude, die Trafos, die Steuereinheiten, Dieselgeneratoren oder Windmaschinen, die die Generatoren im Einsatz kühlen. Am wichtigsten sind Wienholtz aber die Internetanbindungen. «Strom können wir im Notfall selbst machen», sagt er. «Das Internet nicht.» - «Stimmt, das Rechenzentrum per HSPA anzubinden, ist nicht so sinnvoll», sage ich und wir lachen. Zeit, ins Herz des Gebäudes zu gehen: Die Serverräume. Fünf Stück davon gibt es.



Die Glasfaseranbindung: Hier gehen die Daten ins Internet und zu den Nutzern. / Foto: Strato



HiDrive-Plattform: Hier liegen die Daten auf den Online-Festplatten der Kunden. / Foto: Strato



Webhosting bei Strato: Blick in den Kaltgang. / Foto: Strato

Einen der Räume zeigt er mir. Der Aufzug dorthin: Abermals nur mit Schlüssel zu bedienen. Nur ganz vereinzelt treffen wir unterwegs Mitarbeiter. Bis auf den Ein- und Ausbau von Hardware läuft fast alles automatisch im Strato-Rechenzentrum.

Die HiDrive-Plattform und die Anbindung ans Internet

Vor der Tür zum Serverraum stehen Filzschuhe und Schuhüberzieher. Ich darf mir aussuchen, was ich anziehen will. Ich nehme auf seinen Rat hin die Überzieher. Sie sollen vermeiden, dass Strassendreck ins Rechenzentrum kommt. Der Dreck, aufgewirbelt durch Kühlanlagen, könnte Laser-Lichtschranken im Doppelboden unterbrechen und Feueralarm auslösen. Wie alle Türen ist auch diese geschützt. Wir gehen hinein, es ist dunkel. Um so grösser ist der Effekt. Ich finde mich in einem Raum wieder, in dem Reihe an Reihe Serverracks stehen. Ein monotones Surren der Serverlüfter füllt den Raum. Jedes einzelne Rack verzeichnet eine zweistellige Zahl an Servern übereinander. Und an jedem Server blinken kleine LEDs. Es wirkt ein bisschen wie Weihnachten in den USA. Durch die Mischung von blauen und grünen LEDs ergeben sich tolle Lichteffekte. «Warum hier blau und da grün», frage ich nach. «Fragen Sie den Hersteller», kommt es mit einem Lachen zurück. Wir gehen durch die Reihen. Sie sehen unterschiedlich aus. Unterschiedliche Hardware für unterschiedliche Produkte. Meterweise stehen hier Dedicated Server rum. «Die meisten langweilen sich», sagt Wienholtz. Aber die Kunden haben die Hardware und die entsprechenden Leistungen ausdrücklich gebucht, auch wenn sie diese häufig nicht voll in Anspruch nehmen. Denn wie die Server dann genutzt werden, darauf hat Strato - anders als etwa bei der HiDrive-Plattform oder virtuellen-Servern - keinen Einfluss. Dann stehen wir vor den HiDrive-Servern. Hier speichern Kunden Daten auf ihrem Online-Speicher. Unzählige kleine Festplatten verrichten hier ihren Dienst. Jede einzelne fasst mindestens ein Terabyte. Geflissentlich blinken sie und bestätigen, dass sie sich gerade initiieren, Kunden Daten auf sie laden oder Backups laufen. «Wo sind denn meine Kontoauszüge, die ich auf HiDrive gespeichert habe», frage ich Wienholtz mit einem Augenzwinkern. «An mehreren Stellen hier», kommt die Antwort. Wienholtz erklärt mir den Aufbau der Speicherplattform: «Die Daten werden über mehrere Festplattensysteme verteilt auf den Produktivspeichern abgelegt und zusätzlich 1:1 auf weitere Speichersysteme gespiegelt, die unabhängig von den Produktivspeichern sind.» So sollen die Daten auch dann noch verfügbar sein, wenn eine der Platten oder ganze Systeme ausfallen.

«Wollen Sie mal das Internet anfassen?» - Der direkte «Draht» ins Netz

Vor den HiDrive-Servern stehen Euro-Paletten mit gerade gelieferten, noch eingepackten Servern. «Die bauen wir die nächsten Tage ein», sagt mir Wienholtz. Fast beiläufig kommt noch der Nebensatz: «Das ist der prognostizierte Speicherzuwachs für HiDrive für den nächsten Monat.» Mehrere Petabyte Daten seien schon auf der HiDrive-Plattform abgelegt. Wir gehen weiter zu einem Schrank mit Routern und einer Unmenge an Glasfaserkabeln, die in Trassen über den Schränken verschwinden. «Wollen Sie mal das Internet anfassen?», fragt Wienholtz und nimmt ein dünnes Glasfaserkabel in die Hand. Aus der ganzen Welt kommen hier Internetleitungen an. Einige kommen über Knotenpunkte wie den DeCIX in Frankfurt zu dem es eine Standleitung gibt, andere kommen direkt von den Providern. Strato ist auch im Ausland tätig. Doch die Daten liegen hier in Berlin. Da ist es wichtig, dass die Daten schnell bei den Kunden in den Niederlanden, Grossbritannien oder den USA ankommen. Zig Gigabit pro Sekunde sind auf dem Gelände verfügbar - wieviel genau, weiss Wienholtz gar nicht. Mehr als 40'000 Server und 4 Millionen Domains sind es, die Strato beherbergt. Aktuell zählt der Anbieter 1,4 Millionen Kundenverträge. Mit diesen Zahlen im Kopf verlasse ich - nachdem ich wieder aus der Anwesenheitsliste ausgetragen wurde - nach knapp zwei Stunden das Rechenzentrum durch die Stahltür, durch die ich gekommen bin. Nach einigen Metern drehe ich mich um, und schaue auf das Gebäude, in dem grosse Teile des «deutschen Internets» aber auch Daten aus dem Ausland gespeichert liegen. Erraten würde das wirklich niemand.

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