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Antonio Cassano: Steiniger Weg zum Erfolg

Die UEFA wählte ihn am Montag beim 2:0 gegen Irland zum «Man of the Match». Antonio Cassano hatte Italien mit seinem Kopfballtor den Weg in die Viertelfinals geebnet. Er rechtfertigte das Vertrauen, das sein Nationalcoach Cesare Prandelli in ihn gesteckt hatte.

bg / Quelle: Si / Mittwoch, 20. Juni 2012 / 12:15 h

Antonio Cassano, ein Star in der «Squadra Azzurra» - das war nicht immer so. Marcello Lippi hatte ihn konsequent übergangen. Der Selektionär fürchtete sich wohl vor Eskapaden des als «Enfant terrible», Unruhestifter und «schlampiges Genie» verschrienen Cassano. Zu oft hatte sich der Offensiv-Künstler auf und neben dem Rasen am Rande des Wahnsinns bewegt, mit seinem Verhalten und seinen Disziplinlosigkeiten Klub-Bosse und Trainer zur Weissglut getrieben. Cassano, in ärmlichen Verhältnissen in Bari aufgewachsen, liess einmal verlauten, er wäre wohl Verbrecher geworden, wenn nicht Fussballprofi.

Turnaround bei Sampdoria

Seine Kreativität und Unberechenbarkeit wurden offenbar von Lippi zu wenig hoch gewichtet. Deshalb war es Cassano auch nicht vergönnt gewesen, 2006 Weltmeister zu werden. Die Nichtnomination für jenes Turnier war auf dem «Stiefel» nachvollzogen worden. Nachdem er für die AS Roma (die ihn einst für rund 30 Millionen Euro verpflichtet hatte) immer mehr zum Ärgernis geworden war und im Januar vor der Endrunde in Deutschland zu Real Madrid gewechselt hatte, geriet seine Karriere ins Stocken. Bei den «Königlichen» enttäuschte er, ja er wurde wegen seiner damaligen Statur gar als «kleiner Dicker» verspottet und soll sich in Spaniens Hauptstadt vor allem auf Treffer in Hotelbetten konzentriert haben. Vier Jahre später sah die Sache anders aus. Cassano hatte sich in der Zwischenzeit gefangen. Bei Sampdoria Genua konnte er seine Laufbahn neu lancieren. Mit Giampaolo Pazzini bildete er eines der gefährlichsten Sturm-Duos des Calcio. Im Frühling 2010 führte er die «Samp» auf Platz 4 der Serie A und in die Champions-League-Qualifikation. Und doch fehlte er wenig später in Italiens Aufgebot für die WM 2010. Lippi vertraute anderen Angreifern - Vincenzo Iaquinta und Alberto Gilardino beispielsweise - und scheiterte kläglich. Für Cassano war es ein Segen, dass nach der Blamage in Südafrika Cesare Prandelli zum «Commissario tecnico» ernannt wurde.

Hochzeit und Herz-OP

Prandelli setzte von Anfang an auf Cassano. Der Coach meinte zu Beginn seiner Tätigkeit: «Antonio ist erwachsen geworden, vor allem dank seiner Frau. Seit der Heirat ist er viel ausgeglichener.» Cassano hatte seine Carolina, eine Wasserballerin, just geehelicht, als Italien an der WM 2010 ins Verderben schlitterte. Inzwischen sind sie Eltern geworden. Cassano wirkt bedeutend ruhiger, was aber nicht bedeutet, dass er gänzlich ohne Aussetzer durchs Leben geht. Man erinnere sich an seine jüngsten Aussagen zum Thema Homosexualität («Ich hoffe, dass es bei uns im Team keine Schwuchteln gibt.»).



Antonio Cassanos Karriere kommt langsam wieder in Fahrt. /

Cassano kommt vermutlich auch zupass, dass er von seinem Sturm-Partner Mario Balotelli als grösste Skandalnudel des Teams abgelöst worden ist. Cassanos Reifeprozess positiv beeinflusst haben dürfte auch seine Krankengeschichte. Im vergangenen Herbst erlitt er einen Schlaganfall, begleitet von Schwindelanfällen. Eine Herz-Operation wurde erforderlich. Cassano gestand später, er habe Todesangst gehabt. Es war nicht sicher gewesen, ob er seine Karriere würde fortsetzen können. Die Teilnahme an der EM in Polen und der Ukraine rückte in weite Ferne. Dabei war Cassano in der Qualifikation zu dieser Endrunde mit sechs Treffern Italiens erfolgreichster Torschütze gewesen.

Lob für Prandelli

Prandelli war ihm auch in der folgenden Regenerationsphase eine Stütze. Der für seine Sozialkompetenz bekannte Coach machte Cassano Mut und liess ihn nie fallen. «Wir warten auf Antonio», sagte Prandelli. «Sobald er von den Ärzten grünes Licht erhält, wird er mit viel Energie auf die EURO hinarbeiten und sehr motiviert sein, noch rechtzeitig in Form zu kommen.» Cassano weiss dies zu schätzen. Er ist voll des Lobes über seinen Nati-Coach. Vor dem Duell mit Kroatien (1:1) erklärte Cassano auf dem UEFA-Portal: «Ich mag Prandelli sowohl als Trainer als auch als Mensch. Er redet viel mit den Spielern und ist immer sehr gut organisiert. Er gab mir von Anfang an das Gefühl, wichtig zu sein. Das stärkt das Selbstvertrauen.» Dass der bald 30-jährige Cassano nach seinen gesundheitlichen Problemen im Fitness-Bereich noch Defizite hat, ist verständlich. Deshalb hat ihn Prandelli in allen drei EM-Gruppenspielen vorzeitig vom Feld genommen. Auch bei Milan wurde er am Ende der abgelaufenen Serie-A-Saison in kaum einer Partie über die volle Distanz eingesetzt.

Magere Bilanz

An dieser EM könnte Cassano seine magere Bilanz an bedeutenden Endrunden aufpolieren. WM-Erfahrung kann er keine vorweisen und an den Europameisterschaften 2004 (unter Giovanni Trapattoni) und 2008 (unter Roberto Donadoni) hiess es schon vor der Pokalübergabe Endstation. Vor acht Jahren in Portugal zählte er als Jungspund zu den Lichtblicken beim bitteren Vorrunden-Out. Legendär ist sein Torjubel gegen Bulgarien, ehe für ihn nach der Kunde des «nordischen 2:2» eine Welt zusammenbrach. Diesmal gab es kein «Päckli» und Cassano versprüht Optimismus. Nach dem Remis gegen Spanien meinte er: «Auf dieser Leistung müssen wir aufbauen. In diesem Spiel haben wir gemerkt, dass wir es mit jedem Gegner aufnehmen können.»

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