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Löws Luxusprobleme und die Suche nach dem «Maulwurf»

Die Deutschen reiten an der EM auf der Erfolgswelle. Die Resultate stimmen. Und die Partie gegen Griechenland hat gezeigt, dass Joachim Löw für den Halbfinal viele Optionen hat. Auch dank den «siamesischen Zwillingen».

pad / Quelle: Si / Samstag, 23. Juni 2012 / 19:45 h

«Weltrekord» frohlockten deutsche Medien nach dem 4:2 gegen die Griechen. Die DFB-Auswahl erreichte mit diesem Ergebnis eine historische Marke. 15 Pflichtspiel-Siege in Serie, erzielt nach jeweils maximal 90 Minuten: Das hat sonst noch keine Nationalmannschaft geschafft. Seit dem gewonnenen Spiel um Platz 3 an der WM 2010 gegen Uruguay (3:2) ist Deutschland in Ernstkämpfen ohne Unentschieden oder Niederlage. Zwar hatte Spanien einmal 19 Vollerfolge aneinandergereiht, darunter war aber ein Sieg nach Penaltyschiessen, den die Statistiker als Remis werten. Und gegen die Schweiz hat sich Deutschland Ende Mai bloss in einem Testmatch blamiert.

Reizpunkte am «Tag der Veränderungen»

Der Baumeister dieser eindrucksvollen Serie heisst Joachim Löw. «Macht dieser Mann eigentlich auch mal einen Fehler?», fragte sich ein Reporter. Der Journalist schrieb weiter: «Löw pokerte im Viertelfinal hoch - und gewann alles. Wieder machte er alles richtig. Der Bundestrainer hat ein Goldhändchen.» Der Schreiberling spielte auf die überraschenden Personalrochaden im Duell mit Griechenland an. Löw missachtete den Ratschlag von Englands Weltmeister-Trainer Alf Ramsey («Never change a winning team»). Das Trio, das für die fünf Tore in der Gruppenphase gesorgt hatte (Mario Gomez, Lukas Podolski, Lars Bender), musste gegen «Hellas» am Anfang ebenso auf die Bank wie der bisher gesetzte Thomas Müller, der Topskorer der WM 2010. Für sie rückten andere Kräfte in die Startformation. Löws Mut wurde belohnt. Zwei Treffer gingen auf das Konto der Neuen. Miroslav Klose konnte nach seinem Dasein als Edel-Joker genauso seinen Torhunger stillen wie der überzeugende EM-Debütant Marco Reus.

Reizpunkte gesetzt

Löw erklärte hinterher: «Das war der Tag der Veränderungen. Ich dachte, ich müsste dies nach drei Siegen machen. Das ist mir schon länger im Kopf herumgegeistert. Ich war nach der Gruppenphase keineswegs unzufrieden. Aber wir mussten unberechenbar sein. Ich musste frischen Wind bringen, andere Spielertypen.» Griechenland war aber auch ein dankbarer Gegner, um die Rotation zur Anwendung zu bringen. Mit seinen Massnahmen hat Löw Reizpunkte gesetzt. Das kann sich im weiteren Turnierverlauf auszahlen. Im Team bleibt die Spannung nun während der langen Pause bis zum Halbfinal vom nächsten Donnerstag gegen England oder Italien aufrechterhalten. Leute aus der zweiten Garde wittern ihre Chance.



Joachim Löw hat die Qual der Wahl. /

Sie merken, dass es keine leeren Versprechen sind, wenn Löw ihnen Mut zuspricht. Das Frustpotenzial innerhalb des Kaders dürfte sinken. Und Deutschland bleibt variabel. Offenbar ist jeder ersetzbar. Der Teamgedanke gewinnt an Bedeutung. Interessantes Detail: Gegen Griechenland trafen ein Verteidiger, ein defensiver Mittelfeldspieler, ein Flügel und ein Mittelstürmer. Anscheinend sind die Deutschen von keinem Spieler abhängig.

Reus: «EM-Titel führt über uns»

Einer, der sich gegen Griechenland nachhaltig für die Stammformation empfohlen hat, ist Marco Reus. Mit seiner Dynamik provozierte er gefährliche Offensiv-Aktionen en masse. André Schürrle auf dem anderen Flügel war etwas weniger auffällig, konnte seine Ambitionen aber ebenfalls anmelden. Die beiden waren am Tag nach dem Halbfinal-Einzug die Protagonisten an der deutschen Pressekonferenz in Danzig. Der Medienchef bezeichnete sie mit einem Augenzwinkern als «siamesische Zwillinge», weil Reus und Schürrle gut befreundet sind und oft die Freizeit miteinander verbringen. Beide wurden nicht müde, den Teamgeist zu beschwören und die hohen Zielsetzungen zu unterstreichen. «Der EM-Titel führt nur über uns», sagte Reus forsch. Schürrle fügte hinzu: «Jeder hat es gegen uns schwer, wenn wir unsere Leistung abrufen können.» Das junge Duo präsentierte sich locker. Als Reus von einer asiatischen Journalistin das Kompliment erhielt, er habe die schönere Frisur als Mario Gomez, sagte der zukünftige BVB-Profi mit einem Grinsen: «Ich will jetzt nichts Falsches sagen. Ich versuche natürlich auch in diesem Bereich, das Beste aus mir herauszuholen.» Er hatte die Lacher auf seiner Seite.

Suche nach «Maulwurf»

Alles eitel Sonnenschein also bei den Deutschen? Nicht ganz. Joachim Löw gab zu, dass er sich am Freitag geärgert hatte. Während dem Spiel über die schlechte Chancenauswertung in der ersten Halbzeit. Vor dem Spiel über die Tatsache, dass die Öffentlichkeit schon früh am Nachmittag über seine Pläne mit den neuen Angreifern informiert gewesen war. Online-Portale trugen die brisanten News in die Welt hinaus. Löw hätte die Details zu seiner Aufstellung gerne länger geheim gehalten. Im innersten Zirkel des Teams wurde nach einem «Maulwurf» gesucht. «Wie es dazu gekommen ist, kann ich mir nicht genau erklären», kommentierte Löw. «Die Spieler reden mit ihren Beratern oder mit Freunden, vielleicht gibt das da einer weiter. Das ist nicht in meinem Sinne und nicht gut, wenn unsere Karten so früh auf dem Tisch liegen.» Er habe daraufhin seinen Schützlingen ins Gewissen geredet.

Folgt die Krönung?

Löw will sich auf keinen Fall, und vor allem nicht durch das Verlassen der Hauptschauplätze, von seinem ersten Titelgewinn als Chef der deutschen Nationalmannschaft abbringen lassen. Zum vierten Mal in Folge an einer EM oder WM steht der DFB in den Halbfinals. In Polen und der Ukraine soll das Turnier mit der Siegertrophäe gekrönt werden.

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