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Wissenschaftsrat kritisiert «Ökonomisierung»

Bern - Der Schweizer Wissenschaftsrat verlangt mehr Unterstützung für Grundlagenforschung. Die Hochschulen forderte er auf, mehr für den Wissenschaftsnachwuchs zu tun. An einer Medienkonferenz in Bern kritisierte er zudem die «Ökonomisierung» der Wissenschaft deutlich.

kris / Quelle: sda / Montag, 5. Oktober 2015 / 13:50 h

In einer am Montag vorgestellten Studie kritisiert der Schweizerische Wissenschafts- und Innovationsrat (SWIR) , die Politik des Bundes bei der Bildung, Forschung und Innovation (BFI) werde zu stark von den Interessen der Wirtschaft diktiert. Die Konzeption der BFI-Politik finde weder im Parlament noch in den Bildungskommissionen statt, sondern in der Verwaltung. Und dort habe die Wirtschaft seit den 1990er Jahren stark an Einfluss gewonnen.

«Privilegierte Agenten»

Die Wirtschaft habe ihre genauen «Kenntnisse wissenschaftlicher und ökonomischer Prozesse» dazu benutzt, eine «Position als privilegierte Berater, die auch ausserhalb der eigentlichen Vernehmlassungsverfahren vom Bund gehört werden, zu erlangen», heisst es. Als «privilegierte Agenten» brächten diese ihren «Informationsvorsprung in die Entscheidungsprozesse des Bundes» ein.

Der Wissenschaftsrat nennt die Interessenvertreter von Scienceindustries, Interpharma und Swissmem als Beispiele. Genannt werden auch der Nationalfonds als Forschungsförderer und als Beispiel für ein strategisches Leistungsorgan grosser Hochschulen der ETH-Rat. Sie alle fänden für ihre «Partikularinteressen» beim Bund ein offenes Ohr.

Der Wissenschaftsrat indes sei gemäss Gesetz das einzige von Einzelinteressen freie und über Systeme hinweg arbeitende Konsultationsgremium. Der SWIR vergebe zudem selbst keine Fördermittel und er befasse sich mit der gesamten Bandbreite der Wissenschaftspolitik.

Marktorientierte Wissenschaft

Doch im 50. Jahr seines Bestehens fürchtet der Wissenschaftsrat offenbar, nicht mehr gehört zu werden.



Schweizer Universitäten vernachlässigen den Nachwuchs. / Foto: Urs Keller ex-press.ch

Seine Studie stellt fest, dass Bildung, Forschung und Innovation vermehrt Werte schaffen sollen, die «kurzfristig am Markt einen finanziellen Nutzen abwerfen».

Zudem misstrauten Bevölkerung und Politik der Wissenschaft mehr als früher. Die Wissenschaft müsse sich stärker rechtfertigen, insbesondere wenn viel Geld im Spiel sei. Doch gerade Grundlagenforschung sei verschwenderisch und Durchbrüche könnten nicht im Voraus geplant werden.

Doch statt Freiräume zu schaffen, wird die Wissenschaft in eine Wettbewerbskorsett gezwängt. Fördermittel würden nach dem Wettbewerbsprinzip vergeben, wissenschaftlicher Erfolg nach den Drittmitteln durch private Förderer, der Anzahl Publikationen und Zitationen bemessen, statt nach der Qualität der Arbeit und Hochschulen agierten vermehrt wie Unternehmen.

Der SWIR fordert Bund und Kantone als Träger der Hochschulen zu einer besseren Zusammenarbeit in der Hochschul- und Wissenschaftspolitik auf. Und er forderte eine von Wirtschaftsinteressen unabhängigere Politik. Auch solle die Finanzierung von Hochschulen und Forschungsinfrastruktur geregelt werden.

Hochschulen hemmen Nachwuchs

Nachholbedarf sieht der SWIR auch beim Nachwuchs. Grundsätzlich sei nichts daran auszusetzen, wenn die Hochschulen Talente aus dem Ausland in die Schweiz holten, hiess es vor den Medien.

Der einheimische Nachwuchs aber werde vernachlässigt. Es brauche dringend Assistenzprofessuren und langfristige Stellen nach dem Doktorat, die zusätzliche Karrierewege eröffneten.


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