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Sotschi: Bewohner beklagen Olympia-Vorbereitung

Moskau/Berlin - Die Vorbereitungen für die Olympischen Spiele 2014 in Sotschi laufen auf Hochtouren. Die Bevölkerung des Bade- und Kurorts am Schwarzen Meer stöhnt währenddessen unter den Zwangsumsiedelungen und der rigorosen Vorgehensweise der Organisatoren.

dap / Quelle: pte / Donnerstag, 15. August 2013 / 10:32 h

Sotschi gleicht derzeit einer einzigen Baustelle. Um die Stadt für Olympia fitzumachen, hat die Regierung in Moskau bislang umgerechnet 38,2 Mrd. Euro investiert. Häuser werden verwüstet

2'000 Familien wurden für ihre erzwungene Umsiedlung entschädigt. Teile jener, deren Häuser bei umliegenden Bauarbeiten zerstört wurden, werden jedoch im Regen stehen gelassen, kritisiert die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW). «Es ist empörend, wie mit den Menschen in Sotschi vonseiten der russischen Behörden umgegangen wird», sagt HRW-Deutschland-Direktor Wenzel Michalski im Gespräch mit pressetext. Er fordert von den Verantwortlichen, das Eigentum der Menschen zu achten und lückenlos für adäquate Kompensationen zu sorgen. Michalski betont zudem, das es auch bei den geplanten Umsiedlungen Fälle gebe, wo eine angemessene Entschädigung bislang ausgeblieben ist.

Die Financial Times berichtet aktuell von einer Reihe persönlicher Schicksale, die im Zusammenhang mit den gegenwärtig intensiven Bauaktivitäten rund um die Sportstätten stehen. Erdrutsche haben bei Häusern nachhaltige Schäden hinterlassen bis hin zur Verwüstung. Der Streitpunkt ist nun, ob deren Ursache in den weitreichenden Bauarbeiten zu finden ist oder nicht. Bei einem konkreten Beispiel hat das Komitee für Notfälle der Stadt Sotschi festgestellt, dass eine in der Nähe arbeitende Baufirma für die Schäden an einem Haus aufzukommen hat.



Der Bolschoi-Eispalast in Sotschi bietet 12'000 Zuschauern Platz und wurde 2012 fertiggestellt. /

Ein Gericht hat diese Entscheidung daraufhin wieder gekippt und als Grund «natürliche Faktoren» angeführt. «Sie sagen: 'Wenn du nicht genug Geld für einen Gerichtsprozess hast, wirst du niemals gewinnen.'», gibt sich Andronik Karabajakian zerknirscht. Er ist einer von jenen, die schwere Schäden an ihren Häusern beklagen und dafür die Bauwirtschaft verantwortlich machen.

Familien verweigern Dormitorium

Der Bürgermeister von Sotschi, Anatoly Pakhomov, nimmt unterdessen die Justiz in Schutz: «Was machen Sie, wenn in Ihrem Land ein Gericht eine Entscheidung fällt? Denken Sie, dass diese dann nicht umgesetzt gehört? Wenn das der Fall wäre, was für eine Art von Demokratie und Rechtsprechung würden wir dann haben?!» Er fährt fort: «Sie und ich schauen darauf und wir können sagen, das ist wegen den Bauarbeiten; doch ein Gericht konsultiert viele Experten und trifft eine Entscheidung auf Basis von detaillierteren Informationen», so Pakhomov.

Familien, deren Häuser durch Erdrutsche oder Vibrationen unbewohnbar wurden, haben temporäre Dormitorien zur Verfügung gestellt bekommen. Doch viele lehnen das Angebot ab. HRW-Europa-Direktorin Jane Buchanan hat dafür vollstes Verständnis: «Eine Umsiedlung von ganzen Familien mit mehreren Kindern in ein Dormitorium ist keine angemessene Kompensation», zitiert sie die Financial Times. Deshalb überrasche es nicht, dass die Menschen dies ablehnen - in der Hoffnung auf das, was ihnen gesetzlich zusteht.

Grossmächte gegen Boykott

Die Anfangseuphorie der Bevölkerung ist längst verfolgen angesichts der zahlreichen Zwangsmassnahmen und den mit den Bauaktivitäten einhergehenden zusätzlichen Beschränkungen. «Wir atmen diesen Staub nun schon seit fünf Jahren ein», beschwert sich ein Taxifahrer. Auf internationaler Ebene sorgt unterdessen das neue Gesetz gegen «Homosexuellen-Propaganda» für Aufsehen. Dieses stellt in Russland positive Äusserungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen oder über Medien wie das Internet unter Strafe. Trotz des Drucks zahlreicher Bürgerrechtsorganisationen sprechen sich grosse Teilnehmerländer wie die USA, Deutschland oder Grossbritannien gegen ein Boykott der Spiele im kommenden Jahr aus.

HRW verlangt von Moskau, die Menschenrechtsverletzungen in Sotschi umgehend einzustellen sowie Homosexuelle und kritische Journalisten nicht zu verfolgen. Michalski nimmt dabei auch das Internationale Olympische Komitee in die Pflicht. «Das IOC muss auf die Werte pochen, die es in seiner eigenen Satzung festgeschrieben hat - nicht nur während, sondern auch vor und nach den Spielen», so der Deutschland-Direktor.


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