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Sparschwein klammern im Rigor Mortis

Die SP hat eine Erbschaftssteuer-Initiative lanciert, welche heftigste Reaktionen hervorruft und merkwürdige Argumente hervorruft. Ob diese Initiative das Richtige ist, sei dahin gestellt. Vor dem Hintergrund der gesellschaftlichen Realitäten muss eine Erbschaftssteuer aber auf Fakten basierend diskutiert werden.

Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Dienstag, 28. April 2015 / 15:29 h

Die Eckdaten der Erbschaftssteuer-Initiative der SP scheinen ein wenig willkürlich zusammen geschustert zu sein. Dies zu diskutieren wäre eine Sache. Die andere Sache ist jene, ob denn Erbschaftssteuern ungerecht seien, denn Mittelstand angreifen und somit das Volksvermögen. Eines der ersten Argumente, das auf fast allen Diskussionen gebracht wird, ist jenes, dass hier bereits versteuertes Geld nochmals versteuert würde. Und natürlich, das stimmt. Doch mit Ausnahme von Schwarzgeld ist JEDES Geld schon mal versteuert worden: Seien es nun Löhne oder Dividenden, Schenkungen oder... Moment, sogar Schwarzgeld ist vermutlich schon mal, bevor es zu Schwarzgeld wurde, versteuert worden! Genauso wie das Geld, mit dem Sie einkaufen gehen, oder das Sie als Lohn bekommen. Dies ist das Grundprinzip der Steuern.

Die Steuern verdampfen ja auch nicht ins nix, sondern fliessen zurück in die Wirtschaft. Mir ist jedenfalls noch kein Gewerbler untergekommen, der das Geld eines Staatsangestellten verschmähen würde. Oder die mit Steuern (MwSt) und Abgaben finanzierten AHV-Renten. Auch die ganzen Infrastruktur-Ausgaben fliessen direkt wie indirekt zurück an die Steuerzahler.

Geradezu rührend sind auch die Bilder des Nein-Kommitees, auf denen Rentner verzweifelt ihre Sparschweinchen umklammern, um diese dem Zugriff des bösen Staates zu entziehen. Vor allem, weil keiner der betroffenen Erblasser in der Lage wäre, noch gross zu klammern. Denn wer vererbt, ist tot.

Ja. Wirklich. Tot. Hinüber. Vorbei. Jenseits der metabolischen Prozesse. Spätestens nach dem Abklingen der Leichenstarre ist nichts mehr mit Klammern ans Sparschweinchen. Es würde also keinem lebenden Menschen etwas weg genommen werden. Und da das Erbteil von Ehegatten und Partnern sogar bei der SP-Initiative ausgenommen wäre, würden auch diese nicht um das mit ihrem Partner erarbeitete Vermögen fürchten müssen.

Bleiben die direkten Nachkommen.



Wenn die Erbschaftssteuer das Sparsäuli überfällt... /

Wie hoch der Freibetrag des Erbes sein soll, ist dabei eine gute Frage. Ebenso, ob das Erbe einer Progression oder einfach einer Flat Tax (wie von der SP vorgeschlagen) unterworfen sein soll. Es sind leider kaum aktuelle Zahlen zu finden, aber bei einem Freibetrag von 2 Millionen, wie vorgeschlagen, würden vermutlich die allerwenigsten Erben unter der vorgeschlagenen Steuer leiden.

Zahlen aus dem Jahr 2000 - ja, aktuellere Zahlen finden sich nicht auf die Schnelle - nennen eine Durchschnittliche Erbsumme von Fr. 456'000.--. Selbst wenn sich die Summe verdoppelt haben sollte, würden über 90% der Erben nicht von dieser Steuer betroffen sein. Vielleicht sogar noch mehr, denn es ist ein Fakt, dass sich in den letzten 15 Jahren die Vermögens- und so auch die Erbschafts-Verteilung nach oben verlagert hat.

Deshalb lohnt sich ein genauerer Blick auf die Zahlen. Ein Drittel der Nachkommen geht beim Erben ohnehin leer aus, da es nichts zu verteilen gibt. Bleiben 67% übrig, die hier zu 100% der Erben hoch gerechnet werden. Schon vor 15 Jahren musste sich die Hälfte dieser Erben mit 2 Prozent der Gesamtsumme begnügen und die nächsten 40 Prozent hatten einen Viertel der Erbsumme unter sich zu verteilen. Man rechne! Und ja, die Folgerung ist klar: 10% der Erben (oder 6% der Nachkommen) bekamen schon damals 90% der Erbmasse. Es ist seither noch extremer geworden und laut der letzten verfügbaren Zahlen aus dem Jahr 2011 besitzt das reichste Prozent der Bevölkerung 40% des Vermögens (und so auch der potentiellen Erbmasse der Schweiz). Von dem her scheint auch die Freisumme von 2 Millionen ziemlich tief zu sein - es könnten auch locker 5 Millionen gewährt werden, der Steuerertrag würde nicht dramatisch variieren, den die Progression der Vermögenskurve bei den reichsten 10% ist so steil, dass nur ein kleines Scheibchen an Vermögenden, aber sehr viele KMU's auf diese Weise zusätzlich aus der Erbpflicht befreit würden (wobei diese ohnehin privilegiert behandelt und vielfach sogar von der Steuer befreit würden).

Kommt noch dazu, dass mit dem Erbe dank der Altersstrukturen schon längst nicht mehr die «junge» Generation sondern vielfach selbst wieder Rentner oder Menschen, die kurz vor dem Ruhestand stehen, beglückt werden. Das ist an sich weder gut noch schlecht, aber eine Erinnerung daran, das gewisse Klischees (zum Beispiel vom Jungunternehmer, der die Firma übernimmt, oder von der jungen Familie, die nun die Ausbildung ihrer Kinder dank des Erbes finanziell sichern kann) viel seltener anzutreffen sind, als die Realität von längst gesellschaftlich etablierten Personen, die auf ihren Ruhestand hin einen «Zustupf» bekommen, der, berücksichtigt man die Freisumme, in fast jedem Fall unberührt bleiben wird.

Doch zurück dazu, wer denn von einer Erbschaftssteuer getroffen würde. Wie es aussieht, etwa 5 - 6% der Reichsten der Gesellschaft, oder etwa 10% von denen, die etwas erben. Wenn man von den 2 Millionen Freisumme der SP ausgeht, würde der weitaus höchste Steueranteil vom reichsten Prozent unserer Gesellschaft ausgerichtet werden müssen, einer Gesellschaftsschicht, welche dabei ist, durch Lobbying, Steuertricks und das Privileg, alleine durch steuerlich privilegierte Kapitalgewinne jedes Jahr noch reicher zu werden, sich zu der neuen Aristokratie der Welt und absurderweise auch der egalitären Schweiz entwickelt hat.

Es ist daher klar, dass Vertreter dieser Schicht alles machen werden, um eine solche Steuer - in welcher Form und mit welchem Freibetrag auch immer - zu verhindern. Deren Ziel ist dabei, die Abgabenlast verhältnismässig nach unten zu verteilen. Mit der SP-Erbschaftssteuer würde zum Beispiel die AHV mit finanziert werden. Alternativ wird früher oder später entweder die Mehrwertsteuer (ist ja schon geplant), oder der Prozentsatz der AHV-Abgaben am Lohnanteil herauf gesetzt werden müssen.

Im Falle der Mehrwertsteuer würde die Belastung im Verhältnis jene am stärksten treffen, die ohnehin ein tiefes Einkommen haben. Bei einer Erhöhung der Lohnanteile würden die Arbeitskosten - ohnehin ein Problem der Schweizer Wirtschaft - weiter erhöht werden, was wiederum Arbeitsplätze kosten und den hiesigen Werkplatz weniger attraktiv werden liesse. Dies würde vor allem KMU's, die nicht ins Ausland ausweichen können, treffen. Und zudem würde auch noch der Nettolohn der Arbeitnehmer sinken, da auch deren Lohnabzug erhöht werden müsste.

Doch scheinbar ist dies in den Augen vieler Leute, die gegen eine Erbschaftssteuer Sturm laufen attraktiver, als von den Reichsten und privilegiertesten eine Steuer auf ein Einkommen zu verlangen, das ohne persönliche Leistung erlangt wird - mithin im Widerspruch zum von dieser Schicht oft propagierten Anspruch, dass die eigene Leistung belohnt werden solle.

In diesem Sinne noch ein Zitat zum Vererben: «Aber ich würde argumentieren dass, wenn Deine Kinder ohnehin schon alle Vorteile davon haben, wie sie aufwuchsen und die Gelegenheiten die sie durch Ihre Bildung, das eingeschlossen, was sie zu Hause lernen konnten, bekamen - dann würde ich sagen, dass es weder richtig noch rational wäre, sie mit Geld zuzuschütten.» Und nein. Das Zitat stammt nicht von einem sozialistischen Neidhammel, sondern vom Multimilliardär Warren Buffet.


Links zum Artikel:

Verteilungsbericht des SGB Bericht über die Vermögensverteilung in der Schweiz

Forschungsbericht zum Thema «Erben» Zusammenfassung eines Berichts des Nationalen Forschungsprojekts zum Thema Erben und Erbschaft

Initiativtext Erbschaftssteuerinitiative Der Text der SP-Erbschaftssteuerinitiative


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