von Regula Stämpfli / Mittwoch, 20. Oktober 2010
Der Sunday Times ist ein Coup gegen die einzige funktionierende Weltregierung, nämlich gegen die Fifa gelungen. Zwei Reporter gaben sich gegenüber zwei Vertretern des FIFA-Exekutivkomitees als Vertreter eines Konsortiums amerikanischer Firmen aus. Sie boten den hohen FIFA-Funktionären viel Geld, damit diese bei der Vergabe der Fussball-WM ein Bewerberland bevorzugen.
Skandal? Strafverfolgung? Konsequenzen? Wohl nicht. Seit Jahren weiss man um die seltsamen Wirtschaftspraktiken rund um die FIFA. Dies geht von der Vergabe überteuerter Lizenzen über die Ausschaltung der Medienfreiheit für Journalisten hin zur Vergabepraxis von Weltmeisterschaften.
Seit Jahren nenne ich die FIFA die einzig funktionierende Weltregierung mit Sitz in der Schweiz, geleitet von einem Sonnenkönig aus dem Wallis. Doch wie es so ist, verwandelt der Walliser frei nach dem Motto «le foot c’est moi et je m’en fous» jede menschen- und demokratieverachtende Äusserung, jede unsaubere politische Praxis in klingendes Geschäft. Andrew Jennigs, der mit seiner Website transparencyinsport.org ein Blatterbashing vom Fundiertesten liefert, wird von den Mainstreammedien wohl aufgrund des Drucks von der FIFA seit seiner Publikation «Foul» ziemlich totgeschwiegen. Milliarden von Menschen lieben Fussball und unterstützen damit wortlos eine Organisation, deren jüngst aufgedeckter Korruptionsskandal wohl nur die Spitze eines ziemlich unsauberen Fussballbergs aufdeckt. Alle Fussballfans zucken resigniert mit den Schultern, wenn sie mit der Perversität konfrontiert werden, einem System zu huldigen, das durch und durch demokratiezersetzend (punkto Bonisystem, Löhne und Wertideologie) und korrupt (gekaufte Weltmeisterschaften) ist. Manchmal rufe ich: «Es gibt kein richtiges Leben im falschen Fussball» und ... schaue mit meinen Jungs den nächsten Match.
Der Hammer an der FIFA-Geschichte ist, dass Blatter - trotz der diesmal einfach nachweisbaren Korruption - keinerlei Konsequenzen befürchten muss. Der Neofeudalismus für multinationale Organisationen schützt ihn sogar noch besser als damals den Sonnenkönig. Denn die FIFA, sowie das mit Blatter eng verbundene Olympische Komitee IOC geniessen rechtlichen und wirtschaftlichen Sonderstatus. In welchem Land wohl? Natürlich in der Schweiz. Die FIFA ist weitgehend von der Steuerpflicht befreit und, jetzt halten Sie sich fest, sie ist auch vor Strafbestimmungen bezüglich Korruption geschützt. Seit 2006 gibt es zwar ein Antikorruptionsgesetz auf nationaler Ebene, das Verantwortliche in der Privatwirtschaft (siehe Vexelberg, der angeklagt wurde und sich gestern aber freikaufen konnte, hat ihn aber immerhin 10 Millionen gekostet) und in öffentlichen Institutionen (sprich Beamte) strafrechtlich verfolgt. Doch der damalige Justizminister Christoph Blocher sah ausdrücklich davon ab, diese strenge Regelungen auch auf die Sportverbände auszuweiten.
Klasse, kann ich da nur rufen! Wie bei der Meinungsäusserungsfreiheit, d.h. dass die FIFA für Bild, Ton und Berichterstattung kontrolliert, Tantiemen abkassiert und jede unautorisierte Information mit Millionenbusse ahnden lässt, geniesst diese einzig funktionierende und gemäss neueren Berichten höchst korrupte Weltregierung einen Sonderstatus bezüglich Strafverfolgung. Nochmals George Orwell zur Erinnerung: «Some are more equal than others.» Bei Orwell waren dies übrigens die Schweine.
Ob wohl hier die SVP gegen die rechtsfreie Wohlfühloase der FIFA ebenso hart kämpft, wie um ihre Ausschaffungsinitiative für kriminelle Ausländer? Die zwei hohen Funktionäre der FIFA sind Ausländer und sie weilen regelmässig in der Schweiz. Was, wenn ihnen wirklich Korruption nachgewiesen werden kann? Werden sie dann sofort aus dem FIFA-Hauptquartier in Handschellen ausgeschafft?
Wohl kaum. Und der alte Cicero hatte völlig recht als er angesichts der Verluderung des Rechtsstaates in der schwindenden Republik Rom meinte: Kleine Verbrechen werden gesühnt, grosse in Triumphzügen gefeiert (Sacrilega minuta puniuntur, magna in triumphis feriuntur).
Störend an der ganzen Geschichte sind viele Punkt, doch ein wahrhaftiges Skandalon, d.h. Stolperstein ist die Tatsache, dass das seltsame FIFA-Unrechtsverständnis auch an anderen Orten muntere Blüten treibt. So feiern sich die Schweiz und Deutschland in den kommenden Tagen wohl mit einem neuen Steuerabkommen, wo sich die Schweiz verpflichten wird, 40 Mrd. statt entdeckter 200 Mrd. Steuerfluchtgelder an Deutschland zu überweisen mit der Gegenleistung, dass die deutschen Steuersünder namentlich nicht verfolgt werden. Das ist ja schön und gut, nur stellt sich die Frage: Warum eigentlich Gesetze verabschieden, wenn sie eh dann ausser Kraft gesetzt werden in den Fällen, für welche sie gedacht waren?