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Der Streisand-Effekt und Religiotie

Die Proteste gegen den kontroversen und von fast niemandem in seiner Gänze gesehenen Mohammed-Film werden noch einige Zeit weiter gehen. Häuser werden brennen, Menschen werden sterben und der Filmmacher dürfte sich ins Fäustchen lachen - denn er hat genau erreicht, was er vermutlich wollte.

Patrik Etschmayer / Quelle: news.ch / Freitag, 14. September 2012 / 12:19 h

Die Forderung einen Film, ein Buch oder ein Kulturgut zu verbieten, weil es beleidigend, blasphemisch oder sonst was ist, wird meist von Anhängern von Religionen gestellt. Der «Index» des Vatikans, auf dem die von der katholischen Kirche verbotenen Bücher standen, war legendär und dort, wo die Kirche auch noch politische Macht hatte, verschwanden diese Bücher denn auch wirklich. Doch die Welt hat sich geändert und Empörung, Hass und Wut haben genau den gegenteiligen Effekt - seit es das Internet gibt. Dieser Effekt hat sogar einen Namen: Streisand effect. Die amerikanische Entertainerin Barbra Streisand versuchte 2003 eine Luftaufnahme ihres Anwesens aus einer öffentlich zugänglichen Sammlung von 12'000 Bildern der kalifornischen Küste entfernen zu lassen. Sie probierte, dies mit einer Klage gegen die Fotografen zu erreichen. Vor dem Prozess war das fragliche Bild grade mal 6 Mal runter geladen worden - im Monat danach 420'000 Mal. Vermutlich kennen die brandschatzenden Schreihälse diesen Effekt nicht, aber der ziemlich grausig schlechte Video (rein technisch und schauspielerisch gesehen, zum Inhalt will ich hier gar nicht erst was sagen), der nun für die Unruhen sorgt, ist ein Paradebeispiel für den Streisand-Effekt. Der Video, der seit dem 2.



Wenn Fanatiker Fanatiker fanatisieren (Symbolbild) /

Juli auf YouTube steht, dümpelte während mehr als 2 Monaten praktisch ungesehen auf der Videoplattform - absolut zurecht. Gegen diesen Mist sind sogar die Teletubbies hohe Kunst. Doch dann, nachdem der christliche Fundamentalist Terry Jones (der Koran-Verbrenner - erinnern Sie sich?) diesen Video propagiert hatte, explodierte am 11. September das Interesse geradezu und innert wenigen Tagen wurde aus einem obskuren Trailer ein Millionen-Klick-«Erfolg», wobei die Top-3 Länder, in denen der Video geschaut wird, Ägypten, Tunesien und Kanada sind - die USA sollten also auch in Ottawa die Sicherheitsmassnahmen bei der Botschaft rauf schrauben. Was wirklich erschütternd ist, ist wohl die Tatsache, dass der als Provokation gedachte Film genau das erreichte, was er wollte und jeder Steinewerfer die darin verbreitete Nachricht, dass der Islam nichts als Gewalt und Unterdrückung zu bieten habe, auf weltweit ausgestrahlten News-Bildern bestätigt, während sie mit den Protesten genau das Gegenteil ihrer Forderung erreichen, diese knapp 14 Minuten filmischen Schrott zum verschwinden zu bringen und diesen geradezu unsterblich machen werden (was aus künstlerischer Sicht unverzeihlich ist). So haben religiöse Fanatiker eine Horde anderer Fanatiker provoziert mit einem Film, der ... ja von wem ist der eigentlich? Der angebliche Filmemacher Sam Bacile, ein jüdischer Israel-Amerikaner, heisse zum Einen gar nicht so, sei zum Anderen kein Israeli und nicht einmal Jude. Laut einem Berater für den Film, dem «militanten christlichen Aktivisten» Steve Klein, handle es sich um ein Pseudonym und «Bacile» sei eben auch nicht Jude. Wie heisst es so schön? Angebissen. Da wird ein verrotteter Köder im Internet ausgelegt, ein lausig geschnittener Trailer eines noch lausigeren Films, der einmal in einem fast leeren Kino in Hollywood gezeigt wurde. Gedreht von Fanatikern, gehasst von anderen Fanatikern und am Schluss mal wieder der Beweis dafür, dass fanatische Religiotie Provokationen einfach liebt und genau so wie Gier und Dummheit die Welt in den Abgrund treiben kann.

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