von Patrik Etschmayer / Montag, 18. Mai 2009
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So, jetzt wissen wir es also: Zwei Drittel der Schweizer Stimm-Bevölkerung findet, dass die weitgehend im Reich der Mythen operierende Komplementärmedizin wieder von den chronisch überlasteten Krankenkassen bezahlt werden soll. Die Argumente sind vielfältig und alle so flauschig weich und insubstantiell wie die Flusen, von denen ein Tumbler nach dem Wäschetrocknen befreit werden muss.
Doch das ist nun alles egal. Das Volk hat gesprochen, das Volk will Kuschelmedizin. Nun denn – aber welche? Für das Abstimmungskomitee scheint es klar zu sein: Traditionelle Chinesische Medizin, auch TCM genannt (ob man nun auch Tigerpenis und Nashornpulver importieren darf?), Homöopathie (wie wäre es mit ein wenig Zauberei?), Anthroposophische Medizin (so wirr wie der Rest der Anthroposophen), Phytotherapie (traditionelle pflanzliche Heilmittel) und Neuraltherapie (lebensgefährliche Nebenwirkungen ohne nachgewiesene Wirkung); waren es doch diese Therapien, die vor einiger Zeit für eine gewisse Periode ziemlich willkürlich ausgewählt und in einem Versuch der Krankenkassen bezahlt wurden.
Doch warum eigentlich? Diese Auswahl stellt eine krasse Benachteiligung anderer alternativer Heilformen dar, die genau gleich wirksam – oder unwirksam – wie die fünf oben genannten sind. Da wäre zum Beispiel Reiki, dass im Geiste mit der TCM verwandt ist, da es auch hier um die Regulierung der Lebensenergie Chi – in Japan eben Ki genannt – geht. Wenn man TCM zulässt, dann gibt es kein gesetzliches Argument, Reiki aussen vor zu lassen.
Oder wie wäre es mit der Kranio-Sakral-Therapie? Diese Super-Soft-Massage könne angeblich alle möglichen Leiden von Stress über Migräne und chronische Schmerzen kurieren, indem es die Flüssigkeit in der Wirbelsäule wieder zum Zirkulieren bringe. Oder so ähnlich... Zwar gibt es keine Beweise für die Wirksamkeit aber... das braucht es ja laut der Stimme unseres Volkes nicht mehr.
Diesen Beweis kann auch nicht die sogenannte «Therapeutic Touch» Therapie bringen, wo dem Patienten durch einfaches Berühren Heilenergie übertragen werde... wobei dies nicht einmal eine wirkliche Berührung erfordere. Der Behandler spüre, wo das Problem liege und könne es dann sogleich kurieren, nur durch Annährung mit seinen heilenden Händen! Also ab in die Krankenkasse damit!
Als nächstes sollten sich dann auch die Osteopathen melden, welche durch die Behebung angeblicher Fehlstellungen an Fazien und Gelenken durch händische Manipulation Probleme an ganz anderen Orten behöben – diese umfassen Symptome von Kopfschmerzen bis Bluthochdruck. Nachweisen konnte man das natürlich auch nicht. Aber das soll keinen Osteopathen davon abhalten, das gleiche Recht wie ein Homöopathe einzufordern.
Dazu eröffnet diese Abstimmung auch Klöstern verblüffende neue Einnahmequellen: Gebete für Kranke gelten ja traditionell als wirksam, um göttlich unterstützte Heilung bei zu bringen. Zwar gibt es keinen Hinweis darauf, dass dies jenseits der statistischen Zufälligkeit auch klappt, aber das soll keinen Abt davon abhalten, Patienten zu suchen, seine Mönche zum Gesundbeten jener anzuhalten und den Krankenkassen die entsprechenden Gebete in Rechnung zu stellen.
Die Liste könnte noch beliebig verlängert werden, aber da der Autor nicht zu viele Konkurrenten beim Kampf um die Töpfe der Krankenkasse aufwecken will, wenn es darum geht, eine Entschädigung für die heilsame Wirkung seiner Kolumnen einzufordern, lässt er es bleiben.
P.S.: Im Vorfeld wurde auch argumentiert, dass auch manche schulmedizinischen Therapien keine erwiesene Heileffekte hätten. Wen dem so ist, muss das breit an die Öffentlichkeit gebracht werden, damit diese Therapien überprüft und allenfalls aus dem Katalog der Grundversicherung gestrichen werden könnten... naja. Jetzt nicht mehr, denn Wirksamkeit ist ja nicht mehr Kriterium.