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Kolumne


Der 51. Staat?

von Patrik Etschmayer / Montag, 13. Juli 2009

. Als letzte Woche der Krach zwischen Bundesanwaltschaft, Parlament und Bundesrat so richtig eskalierte, fragte sich wohl manch Schweizer Bürger, ob er in einer Bananenrepublik lebt: Zwei höchste Bundesbehörden, die sich gegenseitig bekriegen um Akten, die es eigentlich längst nicht mehr geben sollte, da sie vermeintlich schon längst vernichtet waren. Diese sollten in einem Prozess verwendet werden, in dem es um Atomschmuggel, Spionage, Doppelspionage, die Familie Tinner und deren kleine Rheintaler Hightech Firma geht, dank der Pakistan seine Atombombe bauen konnte und Libyen viel später vom Erwerb einer solchen abgehalten wurde.

Dass Pläne zum Bau einer Atombombe unbrauchbar gemacht, am besten gar vernichtet werden müssen, ist wünschenswert und richtig. Doch als der Bundesrat die Akten vernichtete, wurden sämtliche Unterlagen dieses Vorganges dem Reisswolf zugeführt, und nicht nur jene mit technisch heiklem Inhalt.

In einem Land, wo sonst jede Aktion sorgfältig abgewogen wird, wo man sich in der Politik darauf spezialisiert, mindestens 64'000 Grautöne zu unterscheiden, muss einem diese unter Notrecht durchgeführte Pauschal-Aktion einfach verdächtig vorkommen. Vor allem, da in diesen Akten auch viele Informationen betreffend der nachrichtendienstlichen Verwicklungen der Familie Tinner zu finden gewesen waren.

Diese relevanten Kontakte bestanden seit 2003. Damals hätten die Tinners mit dem CIA Kontakt aufgenommen und so die Weiterverbreitung von Atomwaffen verhindert, indem sie zum Beispiel dafür gesorgt hätten, dass ein Frachtschiff mit Zentrifugenteilen, die für Libyen bestimmt waren, umgeleitet und abgefangen werden konnte.

Als die Tinners wegen des Verdachtes auf einen Verstoss gegen das Kriegsmaterialgesetz verhaftet wurden, waren nach der bekannten Chronologie die kritischen Dinge schon gelaufen, das Atomschmuggelnetzwerk von Abdul Kadir Khan, dem «Vater» der islamischen Atombombe, zerschlagen.

Nun bleibt also die Frage übrig: Was war – und ist – in diesen Akten neben den Atombombenplänen so pikant, dass der Bundesrat diese Papiere ums verrecken zerstört haben will? Jüngsten Aussagen zufolge seien die jetzt aufgetauchten Akten-Kopien 2006 für einen Prozess gegen einen CIA-Agenten, der in der Schweiz tätig war, angefertigt worden. Doch der Prozess wurde auf Befehl des Bundesrates hin aus politischen Gründen gar nie erst aufgenommen.

Nun sind bereits die originalen Akten auf Druck aus den USA hin vernichtet worden (nachdem diese auf die Auslieferung der Papiere aufgrund der Schweizer Neutralität verzichtet hatten), wie aus einem Bericht der Geschäftsprüfungsdelegation hervorgeht. Zudem seien sechs CIA-Agenten in der Schweiz im Fall Tinner tätig gewesen und auch bei diesen sei den Strafverfolgungsbehörden eine Anklageerhebung vom Bundesrat verboten worden. Und auch hier wieder vermutlich auf Druck der USA hin.

Die Kopien dürfen nun nicht vernichtet werden. Aber schon werden die Akten aufgesplittet und unterschiedlich behandelt. Scheinbar sollen die technischen Pläne (was auch absolut richtig ist) geschreddert, und jene Papiere, in denen die CIA vorkommt, gesondert aufbewahrt werden, nachdem auch diese zuerst hätten vernichtet werden sollen.

Die Folgsamkeit, mit der der Bundesrat offensichtlich Anweisungen aus den USA ausführt, ist erschreckend. Es ist klar, dass die USA versuchen, ihre Interessen zu schützen und Wünsche äussern. Aber dass diesen scheinbar mit minimalem Widerstand von unserer Regierung Folge geleistet wird, wirft Fragen auf: Wie unabhängig ist die Schweizer Justiz, wie souverän ist unsere Landesregierung und womit wird ihr gedroht? Was wären die Konsequenzen bei einem Aufmucken? Hat die CIA in der Schweiz einen Freifahrschein? Und wenn ja, warum nicht gleich als 51ster Staat den USA beitreten? Dann wüsste man wenigstens, wo die Regierung sitzt.


Links zum Artikel:

Dokumentation über die Tinner Affäre Doku des Schweizer Fernsehens über die Familie Tinner


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