Regula Stämpfli / Mittwoch, 15. September 2010
Nicht die Islamisten bedrohen unsere Rechtsordnung, sondern das tun unsere
Gerichte selber wie im Tagesanzeiger zu lesen war.
Da wird der Sozialhilfeempfänger Aziz Osmangolu, welcher in der
Fernsehsendung «Hinter dem Schleier -Muslim-Report der Schweiz» für die
Einführung der Scharia in der Schweiz sowie für das Schlagen von Frauen,
um sie zum Geschlechtsverkehr zu zwingen und anderen Scheusslichkeiten,
die in der Gesetzesreligion Islam vorgesehen sind, plädiert, vom Basler
Strafgericht geschützt, freigesprochen und wahrscheinlich noch zur
Schadenersatzforderung eingeladen.
Eigentlich ist hiermit meine Kolumne zu Ende. Denn die absurde Begründung
des Basler Strafgerichts, die vollumfänglich dem Verteidiger (wer den wohl
bezahlt hat?) folgt, spricht antidemokratische und menschen- sowie
frauenvernichtende Bände.
Wer solche Strafgerichtsentscheide fällt, erntet Sarrazin. Und das ist
dann noch die gute Variante.
Slavoj Zizek schreibt in seinem neusten Werk: «Living in the End times»
über die Perversion unseres bürgerlichen Rechtswesens. Die Medien sowie
die dominierende Finanzwirtschaft sind von der Realität entkoppelt,
verblödet, entpolitisiert und skandalisiert. Das bedeutet eine Umkehrung
aller Werte. Das führt dazu, dass Gerichte Minderheiten, die zur
Vernichtung der europäischen Menschenrechte aufrufen, mit dem Verweis auf
Meinungsfreiheit geschützt werden. Das führt dazu, dass die gleichen
Gruppen, die gegen das Patriarchat in den eigenen parteipolitischen Reihen
mit Verbissenheit und für «das Elter» kämpfen, gleichzeitig für die Rechte
kultureller Minderheiten mit vormittelalterlicher Patriarchalität auf die
Strasse gehen. So kämpfen beispielsweise dieselben Leute für eine
strafrechtliche Verfolgung aller Menschen, die ihre Kinder schlagen,
während sie gleichzeitig Minderheiten, zu deren Kultur es gehört, Kinder
auszubeuten (wie die Roma, die ihre Kinder nicht in öffentliche Schulen
bringen und ihre Kinder zu Kinderarbeit in der Bettlerei und für andere
«Arbeitsbereiche» zuführen), mit dem Hinweis auf Kultur verteidigen.
Diese Perversion von richtig und falsch, von gut und böse, von
menschlicher Urteilskraft hat nun – siehe oben – auch die Gerichte
erreicht.
Statt über Sarrazin und seine abstrusen biologistischen, entpolitisierten
Thesen zu reden, sollten wir lautstarke Debatten über Gerichtspräsidenten
und über die entpolitisierte und verdummte Rechtslehre an Schweizer
Universitäten führen. Denn es geht schon längst nicht mehr einfach um
Integration. Sondern es geht um Recht und Unrecht. Es geht um einen
Rechtsstaat oder Unrechtsstaat. Es bleibt zu hoffen, dass die Basler
Staatsanwaltschaft dies auch so sieht und das Urteil weiterzieht.