Regula Stämpfli / Dienstag, 27. Dezember 2011
«Intelligenz ist nicht nur eine Frage des Geistes, sondern auch eine des Herzens» lautet einer meiner Lieblingsgedanken von Immanuel Kant.
Wer von der klassischen Bildung hoher Nazis, unappetitlichen Rechtspopulisten sowie gehirnverkrümmenden Zynikern weiss, wird diesem Diktum sofort zustimmen. Wer diesen Satz jedoch als Plädoyer für Nicht-Bildung missbraucht, ist genauso auf dem Holzweg wie jene, die meinen, gute Bildung sei ein echter Menschlichkeitsbeförderer.
Nun stelle ich zu Jahresende ernüchtert fest: Politiker à la Wulff, Merkel, Barroso, Blocher etc. sowie die unzähligen sogenannten Experten der konstruierten Mehrheitsmeinungsindustrie verfügen weder über die Intelligenz des Herzens noch eine des Hirns. Was die Mächtigen unserer Zeit - mit wenigen Ausnahmen - auszeichnet, ist die Applikation eines technokratischen, neoliberalen Gehirnwäscheprogramms.
Die Hirne der Machthaber im Schlag von Obama über Merkozy hin zu CamClegg sind nicht nur vom Herz entkoppelt, sondern üben sich in einer politischen Rhetorik, die sich einer zahlenbasierten Kunstwelt abspielt, welche von erbsenzählenden Professoren, die im Zuge der Bolognareform an unsere Universitäten gespült wurden, zu aller Verzweiflung dann als «Wissenschaft» verkauft wird.
Unser Menschsein in unseren Demokratien wird seit Jahren nun ohne Herz konzipiert, verwirtschaftet und in ein neoliberales Autoritäts-Korsett gesteckt.
Wer Hannah Arendt in ihrer Reflektion über Weltverlust auch nur ansatzweise begriffen hat, kann über die unglaubliche Absurdität gegenwärtiger Politik, die Idiotie als Logik, Wahrheit und Sinn proklamiert, schier verzweifeln. Deshalb ist es entscheidend, laut «Aua» und «Nein» zu rufen. «Occupy first, demand later» meint Slavoji Zizek zu recht.
Deshalb wird Occupy auch nicht einfach verschwinden. Denn wie mir geht es vielen Menschen. Denn dieses System, welches das Schöne, Gute und Wahre ins Gegenteil verkehrt, muss ein Ende haben. Es wird es auch. Denn eines ist klar:
Es reicht.