Regula Stämpfli / Donnerstag, 22. Mai 2014
Stefan Zweifel wird als Moderator des Literaturclub abgesetzt und alle zucken nur mit den Schultern. Irina Beller beweist in einem langen SRF Interview, dass Bücher nicht mit der Intelligenz der Autorin verknüpft sein müssen und die ganze Schweiz hängt wollüstig am Boulevard-Tropf. Einmal mehr bestätigt sich der Spruch, dass jedes Land genau das Fernsehen hat, das es verdient.
«Männer sind simpel gestrickte Tiere» - Was glauben Sie, in welcher SRF-Sendung dieser Satz fiel? In einer Dokumentation über desillusionierte Intellektuelle im ersten Weltkrieg? Im Literaturklub bei der Besprechung von Yasmina Reza's Buch «Glücklich die Glücklichen»? Oder in glanz&gloria, als die Millionärsgattin Irina Beller dem Moderator Dani Fohrler die Psyche des Mannes erklärt? Nun, leider war es Antwort Nummer 3. Und damit sind wir eigentlich schon am Kern meiner Empörung: Wenn Stefan Zweifel seinen Hut nimmt, weil er sich im Literaturclub als Intellektueller nicht mehr redaktionell aufgehoben fühlte, dann zeigt die langanhaltende Boulevardisierung des SRF unter der Leitung von Roger de Weck nun langsam die gewollte Wirkung.
Ok, man muss das teilweise abgehobene Getue von Zweifel nicht unbedingt super unterhaltsam und anregend finden. Aber ein Sender mit Anspruch darf sich einen Zweifel leisten, auch wenn er nicht jedem gefällt. Und so amüsant eine Elke Heidenreich in ihren besten Momenten auch sein mag, steht sie doch in ihrer provokanten Haltung nicht für geistige Untiefen, sondern sie geht eben ganz pragmatisch-sinnlich ans Lesen ran. Dass da aber noch Welten zum schlichten Boulevard dazwischenliegen ist glücklicherweise noch gut wahrnehmbar. Denn genau darum geht es seit Jahren: immer schriller, immer bunter, immer mehr hysterisches Lachen à la Irina Beller wird en vogue gemacht.
Wer als Zuschauer nicht mehr denkt, der kommt auch nicht auf blöde Ideen, dies scheint die Idee der SRF-Kreativen zu sein. Führt man diese Logik weiter, dann verwundert es, dass Irina Beller ihr Buch nicht bei Schawinski vorgestellt hat. Da hätten sich dann Topf und Deckel der öffentlichen Provokation gefunden.
«Wer interessieren will, muss provozieren» zitiert die Millionärsgattin in dem Interview Salvador Dalí. Wenn das öffentlich-rechtliche Fernsehen provozieren möchte, dann doch bitte mit Niveau! Im unteren Sektor tummeln sich schon genügend private Arsch-und-Titten-Anbieter.
Beim Literaturclub sucht man nun nach dem lautstarken Abgang von Stefan Zeifel einen Nachfolger als Moderator der Sendung. Ich empfehle da wärmstens den tapferen Dani Fohrler: erstens hat er es eine Viertelstunde lang geschafft, Irina Bellers Buch zu lesen (wenn auch wahrscheinlich in sicherer Überflugshöhe) und zweitens schaffte er es, in der ganzen Sendung nicht ein einziges Mal das Buch in die Kamera zu halten oder seinen Titel zu nennen! Das nenne ich wahrhaft grossartig.
Mit dem wunderbaren Zitat «Ich bin primitiv oder nicht, wen interessiert das?» von Irina Beller möchte ich jedenfalls der Kulturredaktion des SRF um Esther Schneider viel Glück bei der Suche nach einem Ersatz für Stefan Zweifel wünschen!