Regula Stämpfli / Mittwoch, 23. April 2014
Die Gefahr kommt direkt von oben. Bundesrat Maurer rastete während des Gesprächs mit dem ausserordentlich beherrschten, seiner Rolle des investigativen Journalisten gerecht werdenden Sandro Brotz in der SRF-Sendung «Rundschau» (16.4.2014) aus.
Auf die Frage, weshalb die Schweiz 22 Kampfjets brauche wenn das Nachbarland Österreich komfortabel mit 15 Kampfflugzeugen in der gegenwärtigen Bedrohungslage leben kann, reklamierte der Militärbundesrat, dass eine derartige Beobachtung völlig tendenziös sei. «Man hätte objektiv auch positive (sprich mehr Kampfflugzeuge) Beispiele wie Belgien und Holland zum Vergleich heranziehen müssen.» Weiter im Klartext Maurer: «Das zeigt Ihre Haltung, die Sie in diesem Geschäft haben. Ich finde das relativ tendenziös für ein Fernsehen, das von öffentlichen Geldern lebt», empört sich Maurer.
Dieser Satz lässt aufhorchen. Was Bundesrat Maurer hier vor laufender Kamera fordert, ist ein Staatsfernsehen, welches nicht der kritischen Berichterstattung und dem insistierenden Nachfragen bei seltsamen Geschäften der Obrigkeit verpflichtet ist, sondern der Regierung dienen soll. Das Blätterrauschen in den Schweizer Medien war denn auch folgerichtig, doch Ostern liess die Diskussion um die seltsamen Regierungsverständnisse, welche Aufgabe Medien zu erfüllen haben oder nicht, hinter Hase und Eier abflauen. Wenn ein Bundesrat den Medien vorschreiben will, wie sie über eine kommende Abstimmung zu berichten hätten. «weil sie ja von öffentlichen Geldern leben», dann ist die politische Kultur in der Schweiz noch polit-autoritärer als dies die letzten Abstimmungen belegen.
Der Druck auf SRF durch den Ausraster von Maurer wird Folgen haben, wetten? Aber sicherlich nicht die, welche einer Demokratie würdig wären, nämlich die Stärkung der kritischen Öffentlichkeit. Wahrscheinlich wird das Gegenteil passieren. Denn der fälschlicherweise als linksliberaler Chef von SRF (wenn alle Hühner braun sind, fällt sogar ein beiges auf) und von der SVP verschrieene Roger de Weck wird noch mehr einknicken. Schon jetzt lässt er mit schöner Regelmässigkeit mit «Die Schweiz und die Schweizer» oder «anno 1914» Programme inszenieren, mit welchen er flächendeckend für die Klientel der SVP historisches Heidiland zelebriert. Sogar Roger Schawinski hilft bei dieser journalistischen Appeasement-Politik gegenüber der SVP mit, indem er den Weltwoche-Chef Roger Köppel, welcher, würde er der SVP noch näher stehen, bereits wieder hinter dieser wäre, zum Dauergast seiner Sendung erkoren hat. Die Diskussionssendungen ARENA und CLUB haben seit 2011 ihre politische Qualität an das privat finanzierte TELEZÜRI abgegeben.
Seit Roger de Weck an der Spitze von SRF waltet, ist das Fernsehen offenbar nur noch dafür da, die Konzessionsgelder zu retten. Interessanterweise ist die SVP in ihren Angriffen auf SRF trotzdem nicht leiser geworden. Und statt Widerstand zu leisten, knickt SRF bezüglich Programm, Kontroverse, Mut und Haltung fast überall gegen die SVP ein. Weshalb beispielsweise gibt das Schweizer Fernsehen kein Geld aus für spannende Programme anlässlich des Ersten Weltkrieges? Meint Roger de Weck wirklich, mit einem Gespräch mit dem emeritierten Professor Kreis (dessen Kerngebiet übrigens nie der Erste Weltkrieg war) sei die Sache erledigt? Die Schweiz war einmal Hochburg der deutschsprachigen historischen Forschung, doch auf SRF gibt es zum Ersten Weltkrieg nur einen pensionierten Professor? Und im Sommer dann einen Kostümporno mit Big Brother Touch à la «anno 1914»? Weshalb nicht gleich alle Staffeln von «Game of Thrones»? Die sind zwar völlig erfunden, aber kommen wahrscheinlich einigen historischen Vorgängen näher als «Leben wie anno dazumal». Wer so tut als wüsste er, wie vor 100 Jahren geliebt, gegessen, ermordet und politisiert wurde und dies ohne Ironie, ohne Literatur, ohne kritischen Geist so verbreitet, huldigt einem Geschichtsverständnis wie vor 100 Jahren.
Sandro Brotz hat die Ehre von SRF gegen den Druck der SVP, welchem von ganz oben leider allzuoft nachgegeben wird, gerettet. Dafür gebührt ihm eine grosse Anerkennung, denn gegenüber einem Bundesrat Haltung zu bewahren, von kritischen Fragen nicht abzuweichen und den roten Faden in der Diskussion zu behalten, erfordert Mut.